Sensationsfund in der Hohnekirche

Erstellt am 15.05.2020

Von Dr. Horst Köhler

SOEST - Vor zwei Jahren startete das Großprojekt „Außensanierung der Hohnekirche“. Fristgerecht wurden die ersten beiden Bauabschnitte abgeschlossen, währenddessen der Blick der Öffentlichkeit auf die äußere Sanierung des Turms und des Mauerwerks gerichtet war. Nun erstrahlen der Turm sowie die West- und Nordfassade in neuem Glanz. Weitestgehend unbemerkt von der Öffentlichkeit vollzogen sich im Turm sowie im Dachgeschoss Arbeiten, die beide Bauabschnitte ergänzend begleiteten. Dabei handelte es sich zunächst um Zimmererarbeiten mit dem Ziel, die Stabilität und Begehbarkeit von Turm und Dachstuhl des Kirchenschiffs zu gewährleisten.

Die Dringlichkeit dieser Maßnahme zeigt symptomatisch das Endstück eines tragenden Balkens im Turmgebälk. Wie lange hätte dieser tragende Balken noch getragen?

Am Beginn allerdings stand die Entsorgung von Taubenexkrementen, Bauschutt, Holzresten und Staubablagerungen. Als wahrer Kraftakt erwies sich deren Beseitigung durch das zu demontierende Fenster im ersten Obergeschoss des Turms. Erst dann konnten die notwendigen Sanierungsarbeiten, wie Reinigung der Gewölbekappen, Festigung loser Steine, Verfugung größerer Fehlstellen, erfolgen. In diesem Zusammenhang fiel Bemerkenswertes in den Blick, was bei früheren Begehungen, bei denen zwangsläufig der Fokus auf Sicherheit ruhte, offenbar nicht die gebührende Aufmerksamkeit fand.  

Der Zutritt zum Turmgewölbe erfolgt über die Orgelempore. Dazu muss man wissen, dass das Turmgewölbe Relikt einer Vorgängerkirche ist, die als vermutete Eigenkirche eines benachbarten Grundherrn relativ geringe Ausmaße hatte, wie Grabungen zeigten, jedoch ein mächtiges zweitürmiges Westwerk. Nachdem sich das Kirchenschiff als zu klein erwies, möglicherweise auch eingestürzt war, wurde ab 1180 in etwa 40-jähriger Bauzeit das heutige Kirchenschiff an das Turmgewölbe angebaut.

So sind im Bogen eines früheren Durchgangs noch ursprüngliche ornamentale Malereien vorhanden. Das ist insofern bedeutsam, als im Kircheninneren ursprüngliche Malereien kaum noch vorhanden sind. Grund ist, dass 1869  anlässlich einer Restaurierung des Kircheninneren an verschiedenen Stellen Reste alter Wandmalereien hervortraten. Ende der 70er-Jahre wurde die Aufdeckung der alten Malereien mit Nachdruck betrieben, bis diese 1889 vollständig freigelegt waren.

Dabei zeigte sich, dass der Hauptchor und der nördliche Seitenchor figürliche Malereien aufwiesen, sämtliche Gewölbe, Pfeiler und Wände mit dekorativen Mustern bemalt waren. Dabei erwies sich die ornamentale Malerei als die älteste, da sie sich auch unter der figürlichen des Chores fand. Der Hofmaler Adolf Quensen hatte bis auf wenige Quadratmeter den ehemals mittelalterlichen Bestand abgeschlagen, bevor er die Malereien im Sinne jener Zeit restaurierte, d. h. die Malschicht mit Hilfe von Pausen neu auftrug.  

In das obere Turmgeschoss führt eine historische Eichenstiege. Bei ihr handelt es sich gewissermaßen um einen Sensationsfund. Bauart und Hölzer dieser sog. Blocktreppe deuten nach erster Einschätzung auf eine Konstruktion des späten 14. Jahrhundert hin. Aufgrund der Geschichte des Turms ist anzunehmen, dass die Treppe mehrfach versetzt, ggf. ergänzt wurde. Auch eine Umnutzung bzw. Wiederverwendung aus einem anderen Gebäude ist denkbar.

Über die ausgetretenen dreieckigen Stufen dieser steilen Treppe im Obergeschoss angekommen, zeigt sich im Gewölbe aus der Zeit, als die Glocken noch per Seilzug zum Läuten gebracht wurden, eine Seildurchführung gegenständlich als Nabe eines Speichenrades.

Hier nun öffnet sich der Durchgang in das Dach des Kirchenschiffs. Auffällig sind zwei gemauerte Kamine, einer oberhalb des südlichen, einer oberhalb des nördlichen Seitenschiffs. Ein altes Foto aus dem Inneren der Hohnekirche zeigt im südlichen Seitenschiff den Rohrabzug eines Heizofens und damit die Funktionalität der gemauerten Kamine. Diese verlieren sich im Nichts des Dachgeschosses. Es ist allerdings nicht anzunehmen, dass der Rauch sich hier verteilte; dazu hätte das Gebälk Rauchspuren aufgewiesen, was nicht der Fall ist. Wie aber die Verbindung zwischen den gemauerten Kaminen und der Dachdurchführung beschaffen war, ist nicht bekannt.

Dass die Laufstege im Dachgeschoss zum Teil erneuert oder sogar erweitert worden sind, hatte insbesondere den Grund, den Handwerkern und Bauforschern des Landschaftsverbands Westfalen Lippe (LWL) sicheres und leichteres Arbeiten zu ermöglichen. Gleichwohl sind sie geeignet, der Öffentlichkeit angesichts ihrer gefahrlosen Begehbarkeit die genannten „Schätze“ zu präsentieren, überhaupt die Öffentlichkeit die besondere Atmosphäre des Dachgeschosses und des mittelalterlichen Dachstuhls empfinden zu lassen.

Wer wird nicht überrascht sein, dass die Gewölbekuppen des Kirchenschiffs oberhalb wie Schutthaufen anmuten? Wer wird sich nicht die Frage stellen, bei welcher Gelegenheit die Balken, die wegen unterschiedlicher Farben offenbar unterschiedlichen Alters sind, zusammengefügt worden sind? Wer wird sich nicht fragen, woher die Balken stammen, die funktionslos Schlitz und Zapfen zeigen, sich offenbar ursprünglich an anderer Stelle befanden und evtl. in Zweit- oder Drittverwendung wieder in den Dachstuhl integriert wurden?

Fragen dieser Art haben die die Experten der Bauforschung des Landschaftsverbands Westfalen Lippe (LWL) zur Beantwortung mitgenommen. Genauer zu untersuchen sein wird auch die Blocktreppe bezüglich der Bauart und der verwendeten Hölzer. Das gilt möglicherweise auch für die Seildurchführung, wie auch durch Putzabbrüche freigelegte Hölzer, deren Untersuchung ggf. Befunde aus der Bauzeit zu vermitteln in der Lage sind. 

Überlegungen, die bisherigen Kirchenführungen, die auf das Bauwerk sowie das Kircheninnere beschränkt waren, nun auf das Turmgewölbe und das Dachgeschoss des Kirchenschiffs auszuweiten, werden gegenwärtig angestellt. Das Kirchenführerteam ist gern hierzu bereit, würde sich über eine positive Entscheidung der kirchlichen Entscheidungsträger sehr freuen.   

 

Das Kirchenführerteam (v. li.): Heinrich Cortner, Dr. Günter Boecken, Ilse Maas-Steinhoff, Mechthild Halberstadt, Dirk Elbert, Dr. Horst Köhler, Burkhard Schnettler.

Die Blocktreppe deutet nach erster Einschätzung auf eine Konstruktion des späten 14. Jahrhunderts hin.

Die Sanierung hat überraschende Malereien freigelegt.