Wie ein großer Bruder

Erstellt am 02.09.2020

SOEST-ARNSBERG. Am 8. September ist Dr. Manuel Schilling seit 100 Tagen im Amt als neuer Superintendent im Kirchenkreis Soest-Arnsberg. In einem Gespräch mit Hans-Albert Limbrock, dem Öffentlichkeitsreferenten des Kirchenkreises, berichtet er über seinen Start, über Dinge, die Ihn positiv überrascht haben und warum er seine Pfarrerschaft mit Bruder und Schwester anspricht.

100 Tage als Superintendent im Kirchenkreis Soest-Arnsberg. Gab es schon Tage an denen Sie Ihre Bewerbung und anschließende Wahl bereut haben?

Nein. Im Moment noch wache ich jeden Morgen auf und sage. Danke, Gott, dass Du mich hier nach Soest-Arnsberg geführt hast. Egal, ob’s regnet oder die Sonne sticht. Ich finde es hier richtig gut.

 

Was war die bisher größte positive Überraschung?

Wie nett die Leute mich hier empfangen haben. Man sagt, die Westfalen seien stur, und die Sauerländer im Besonderen. Das habe ich noch nicht feststellen können.

Was hat Probleme bereitet, bzw. bereitet es immer noch?

Die Unterbringung. Die ersten 8 Wochen wohnte ich – bei einer sehr netten Dame – zur Untermiete, getrennt von meiner Familie. Jetzt sind wir zusammen in einer etwas renovierungsbedürftigen Zwischenwohnung ein bisschen beengt auf dem Land. Wir sind froh, dass liebe Menschen aus Soest für uns diese Wohnung gefunden haben. Und ich merke jetzt, in was für einem Luxus wir bis jetzt gewohnt haben. Das ist ja auch eine lehrreiche Erfahrung. Wenn’s schlecht läuft, geht diese heilsame Erfahrung bis Allerheiligen.

 

Was mussten Sie lernen?

Mit dem Navi über verwinkelte Straßen in der Börde hinter Traktoren und durch tiefe Täler im Sauerland zu fahren. Navis sind eine ganz besondere Sorte Lebewesen. Und dieser Kirchenkreis ist so unendlich groß, ein wahrer Kontinent.

Sie haben sich selbst einmal als Paradiesvogel bezeichnet. Lässt das Amt eines Superintendenten Ihnen genügend Freiraum, um auch einmal überraschend zu sein?

Oh ja, jeden Tag! Jedes Gespräch mit Menschen, die wegen eines Anliegens, und sei es auch eine noch so banale Sachfrage, zu mir kommen, ist ein Abenteuer. Denn jeder Mensch ist so spannend und vielfältig, und jeden Tag anders. Da verlaufen auch die Gespräche überraschend, und ich selbst muss dann reagieren. Übrigens plane ich das nicht: Heute will ich mal diesen oder jenen, oder dieses Presbyterium oder jenen Ausschuss überraschen. So etwas geht in der Regel in die Hose. Sondern ich bin dann selbst überrascht, wenn „es“ in mir losgeht und wir hinterher feststellen: das war jetzt aber völlig anders als vorher erwartet. Das sind dann komische und schöne Momente.

 

Haben Sie der Umfang der Arbeit und die Vielfalt der Aufgaben überrascht?

Man hatte mir vorher davon erzählt. Wenn du aber mittendrin steckst, hilft das auch nicht weiter.

 

Mit einem normalen 8-Stunden-Tag und einer 5-Tage-Woche können Sie die Anforderungen an einen Superintendenten vermutlich nicht erfüllen. Was tun Sie, um für sich einen Ausgleich zu schaffen?

Fahrrad fahren; mit meiner Frau und den Kindern diskutieren; lesen; zu meiner Frau ins Bett schlüpfen; unsere jüngste Tochter morgens zum Bus begleiten; abends einen Schluck kühlen Weißen oder Rosé trinken; mit Freuden telefonieren; singen. Ach, da gibt es viele schöne Möglichkeiten. Bundesliga interessiert mich nicht mehr (wird in der nächsten Ausgabe fortgesetzt).

 

Brüder und Schwestern

Sie sprechen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sowie Pfarrerinnen und Pfarrer mit Bruder und Schwester an – können Sie kurz erklären warum?

Jesus nennt diejenigen, die ihm folgen und Gottes Willen tun, seine Schwestern und Brüder. Der Apostel Paulus spricht alle Christen in den Gemeinden von Korinth bis Rom als „Brüder“ (und wir ergänzen heute auch „Schwestern“) an. Wir sind alle durch die Taufe Gottes Kinder. Die Barmer Theologische Erklärung von 1934 bezeichnet die Kirche als „Gemeinde von Brüdern“. Für Geschwister kann man nichts, man muss sie nicht immer mögen. Aber man wird sie nie los, das hilft beim Streiten. Und wenn es hart auf hart kommt, ist man füreinander da.Ich bin Vorgesetzter, ok. Aber ich will kein „Boss“ sein, sondern eben wie der „ältere Bruder“. Der geht manchmal auf die Nerven. Aber er ist nix Besseres. In unserer großen Volkskirche klingt die Anrede „Bruder“ bzw. „Schwester“ komisch. Deswegen will ich wenigstens alle TheologInnen, DiakonInnen, LaienpredigerInnen oder JugendreferentInnen gerne so anreden. Nicht alle wollen dann mit „Bruder Schilling“ antworten. Das ist voll in Ordnung.

Arbeit über Arbeit. Superintendent Dr. Manuel Schilling hat sich inzwischen in Soest und an seinem Schreibtisch in der Superintendentur eingelebt. Foto: Hans-Albert Limbrock