Räuber Hotzenplotz zum Greifen nah

Erstellt am 13.11.2020

Von Frank Albrecht

ARNSBERG - Die Tische sind so niedrig, dass sie problemlos auch von Kindern erreicht werden können. Ihre Auslagen so spannend, dass sie den Lesenachwuchs begeistern. Jeden Donnerstag hat die Open-Air-Bücherei am Evangelischen Martin-Luther-Kindergarten in Arnsberg geöffnet – auch in Zeiten von Corona. Kinderbücher und Spiele können an diesem Tag in der Woche ausgeliehen oder getauscht werden, alles im Zeichen der frühkindlichen Bildung. Die Idee ist nicht neu und kommt bei den Jüngsten gut an. Vor dem Gang in die Einrichtung ist ausführliches Stöbern mit den Eltern erlaubt und ausdrücklich erwünscht.

„Unsere Bücherei folgt der Idee und dem Anspruch von zwei Projekten“, erklären die Erzieherinnen Stefanie Block und Anika Willecke. Einerseits ist es das Förderprogramm „Frühe Bildung – gleiche Chancen“, dem das Büchereiprojekt gefolgt ist, andererseits stehe aber auch der sanfte Kita-Einstieg im Vordergrund. Beides zusammen ist wie zugeschnitten auf die Kindergarten-Wirklichkeit am Martin-Luther-Kindergarten, denn beide Programme entstammen dem Bundesprogramm für Sprach-Kitas, zu denen sich die Einrichtung zählen darf. Neben den Kindern hat man auch die Eltern im Blick. Für sie wurden eigens passende Bücher zum Spracherwerb angeschafft.

Die fünfjährige Almaida ist mit ihrer Mutter wie jeden Tag zum Kindergarten gekommen und macht natürlich an der bunten Auswahl vor dem Kindergarten halt: Auf drei niedrigen und auch für sie gut einsehbaren Tischen liegt ein Teil der Bücher, bunte Spiele machen das Auswählen noch etwas schwieriger. Dabei gilt auch hier: Der frühe Vogel pickt den Wurm!

Von 8 bis 9 Uhr läuft das Büchereiprojekt vor dem Kindergarten und lädt zum Durchstöbern ein. Neben den Kinderbuchklassikern für ein Alter zwischen drei und sechs Jahren sind auch Lern-Bücher dabei, die das Sprachverstehen für die Jüngsten erleichtern. Der Anteil der Kinder mit einem so genannten Migrationshintergrund ist hoch, gerade hier – so die Erzieherinnen – sei das Projekt sehr angebracht.

Neben Büchern aus dem Bestand des Kindergartens werde auch immer wieder neuer Lesestoff angeschafft, finanziert aus Mitteln des Projektes zum Kita-Einstieg. „Die Idee dazu gibt es hier schon sei Mitte August“, beschreibt Stefanie Block. Den Wert der Bücher und vor allem des gemeinsamen Lesens muss man den Mitarbeiterinnen der Einrichtung hier nicht mehr erklären. Bei den Eltern und ihren Kindern hat man das Interesse an Büchern auch in deren Heimatsprachen abgefragt, denn soviel ist klar: „Es ist besser, zuhause gut die Heimatsprache zu sprechen und sich dann im Kindergarten auf das Erlernen der deutschen Sprache zu konzentrieren“, erklärt die Fachkraft.

So haben beide Seiten etwas davon, die Eltern, die nicht selten des Deutschen noch nicht so mächtig sind, und die Kinder, die die deutsche Sprache viel schneller erlernen können. Man folge damit einer Empfehlung von Experten, auch das Sprechen der Heimatsprachen zu fördern. Und die Mehrsprachigkeit der Kinder wirke sich auch sehr positiv auf das Sozialverhalten der Kinder aus, wissen die Erzieherinnen.

Das Büchereiprojekt will soziale Verbindungen und Kontakte auch über den Kindergarten hinaus knüpfen. „Wir laden auch die Kinder aus der Nachbarschaft ein, sich Bücher und Spiele auszuleihen“, sagt Erzieherin Block. Selbst bis zur Caritas in Arnsberg habe man Werbung für Idee und Projekt gemacht. Damit wolle man auch Kontakte zu den Kindern und ihren Familien bekommen, die noch keine Anbindung an die Kita haben.

„Für alle Kinder ist es auch wichtig, den richtigen Umgang mit Büchern zu lernen“, ergänzt Anika Willecke. Durch das Büchereiprojekt, bei dem die Kinder auch den Wert der Bücher für ihren persönlichen Spaß zu schätzen lernen, werde der angemessene Umgang mit den Büchern geschult. Das sei längst nicht bei allen Familien im Umkreis des Kindergartens ein Normalzustand, oft fehlten die finanziellen Mittel, Kinder in Berührung mit Büchern zu bringen.

Das Büchereiprojekt wird gut angenommen und der Standort vor der Bücherei sichtbar gut gewählt. An den Tischen findet die Auseinandersetzung mit dem statt, was die Kinder beschäftigt. Die Inhalte sind mit Bedacht gewählt und wie in dem Buch „Prinz Seltsam“, in dem Inklusion kindgerecht vermittelt wird, gibt es auch weitere Bücher mit sozial-präventiven Inhalten.

Infobox

Das Förderprogramm „Frühe Chancen“ wurde vom Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend aufgelegt

Seit Januar 2016 läuft das Bundesprogramm „Sprach-Kitas“, das die Sprache als Schlüssel zur Welt in den Fokus gerückt hat

Das Bundesprogramm „Kita-Einstieg“ will seit April 2017 helfen, Brücken zu bauen für den frühen Einstieg in die Bildung

Fördermittel, über die der Martin-Luther-Kindergarten verfügen kann, sollen die Anschaffung weitere Bücher und Spiele gesteckt werden

Das Büchereiprojekt läuft ganzjährig, in den Wintermonaten kann die Bücherei vor der Kita auf die Terrasse im Hinterhof verlegt werden

Die Ausleihe der Bücher läuft auf reiner Vertrauensbasis, für den Transport der Bücher wurden eigens Stofftaschen angeschafft und bedruckt

Caroline Wilfart aus Arnsberg freut sich mit ihrer Tochter Charlotte über das tolle Bücherei-Angebot am Martin-Luther-Kindergarten, das heute von Anika Willecke und Stefanie Block betreut wird. Fotos: Frank Albrecht

„Mein Lieblingsspiel“, zeigt die fünfjährige Almaida aus Arnsberg im Beisein von Anika Willecke und Stefanie Block, Erzieherinnen im Ev. Martin-Luther-Kindergarten.