Wenn der Pfarrer zum Zauberkasten greift

Erstellt am 30.04.2021

Pfarrer Burkhard Krieger mit dem Zauberkasten, der auf die Orgel-Tastatur gesetzt wird. Kleine Filzstößel drücken die Tasten. Fotos: Hans-Albert Limbrock

Von Hans-Albert Limbrock

OLSBERG – Harry Potter. Oder Gandalf, der Weise. Aber doch mindestens David Copperfield. Irgendein großer Zauberer muss doch hier buchstäblich seine Finger im Spiel haben: Durch die Martin-Luther-Kirche schwebt Orgelmusik, aber niemand sitzt auf der Bank vor dem Instrument. Wie von Zauberhand werden die Tasten gedrückt.

„Ist das nicht großartig“, feixt Pfarrer Burkhard Krieger und hat einen Heidenspaß, dass sein Besucher den Mund vor lauter Staunen nicht mehr geschlossen bekommt. Einfach irre. Möglich macht diesen „Zaubertrick“ die vom Ingenieurbüro Klaus Holzapfel (Ziertheim) entwickelte „Organola“.

„Als vor drei Jahren unsere Organistin gekündigt hat, standen wir vor der Überlegung, wie es weitergehen soll“, blickt Krieger zurück, drückt fast unsichtbar Knöpfe an einer handtellergroßen Fernbedienung und schon erklingt eine andere Melodie. Anfangs war die Kirchengemeinde noch zuversichtlich, einen Ersatz an der Orgel zu finden, hat Anzeigen in verschiedenen Zeitungen geschaltet und sich überall umgehört. Ohne Ergebnis. Krieger: „Wir haben wirklich lange gesucht. Aber da war einfach nix zu machen.“

Die Alternative, die Musik für den Gottesdienst von einer CD oder aus dem Internet einzuspielen, wurde rasch verworfen: „Das klingt einfach nicht.“ Durch Zufall wurde man auf die Organola aufmerksam, die der findige Ingenieur Holzapfel aus Bayern einst für katholische Kirchen entwickelt hat und mittlerweile bundesweit vertreibt; in fast vierhundert Kirchen  hat seine Erfindung bereits Organistinnen und Organisten ersetzt. „Wir“, berichtet der Olsberger Pfarrer, „haben uns das dann mal angesehen und natürlich angehört und waren komplett begeistert.“

„Die zuverlässige Kirchenorgel-Selbstspieleinrichtung für Gemeinden, die oft auf eine Orgelbegleitung verzichten müssen“. Mit etwas sperrigen Worten beschreibt das Unternehmen seine Angebote auf der eigenen Internetseite für den „Orgelspielautomaten“.

Das Prinzip dieser Ingenieur-Meisterleistung ist dabei ebenso komplex wie genial: Auf die Klaviatur der Orgel wird ein Kasten platziert, von dem aus eine ausgeklügelte Mechanik über Filzstößel jede einzelne Taste anspielt. Die Lieder, die über ein Steuergerät abgerufen werden, werden via Datenbank eingespielt. Krieger: „Da ist praktisch alles dabei, was wir so während eines Kirchenjahres brauchen. Und wenn mal etwas fehlt, nimmt mein Kollege Schorstein es eben auf.“ Mittels einer kleinen Fernbedienung kann Krieger vom Altarraum aus das Instrument auf der Orgelbühne punktgenau und passend zum Klingen bringen.

„Der Vorteil ist, dass der Orgelklang so ist, als ob ein Mensch spielen würde. Das macht es für die Gemeinde deutlich angenehmer“, glaubt Krieger, dass man mit der 7500 Euro teuren Anschaffung den richtigen Weg gegangen ist. „Natürlich gibt es auch Dinge, die dieses Gerät nicht kann, zum Beispiel unmittelbar auf den Gesang oder die Stimmung der Gottesdienstbesucher reagieren. Aber dennoch ist es für uns eine gute Lösung und allemal besser, als Gottesdienste ohne Orgelmusik feiern zu müssen“, sagt Burkhard Krieger und lässt noch einmal Lied 316 aus dem Evangelischen Gesangbuch erklingen: „Lobe den Herren“.

Die Seele der Organola. Über ein Steuerungsgerät werden die Lieder aktiviert.

Nicht größer als eine übliche TV-Fernbedienung, hierüber steuert der Pfarrer die Organola.

In den Datenbanken des Laptops sind mehrere hundert Lieder abrufbar hinterlegt.