Wir werden es nicht mehr stemmen können

Erstellt am 04.06.2021

Bereitet ein kulturelles Großprojekt für Frühjahr 2023 vor: Superintendent Dr. Manuel Schilling. Foto: Hans-Albert Limbrock

 

SOEST-ARNSBERG – Im dritten Teil des Interviews mit Öffentlichkeitsreferent Hans-Albert Limbrock spricht Superintendent Dr. Manuel Schilling über die besonderen Herausforderungen, vor denen der Kirchenkreis steht.

Kein anderer Kirchenkreis auf Ebene der westfälischen Landeskirche ist so reich an historischen, zum Teil spektakulären Kirchen wie Soest-Arnsberg. Lust und Last zugleich?

Die uralten Dorfkirchen in der Börde, die mächtigen Kirchen in Soest und Lippstadt, die klassizistischen Diasporakirchen im Sauerland – das sind unglaubliche Schätze. Ich komme aus dem Staunen nicht heraus. Und nach einem Jahr habe ich den Eindruck, erst einen Bruchteil davon zu kennen. Man kann den Eindruck haben, die ganze mittelalterliche Kunstgeschichte Europas bündle sich wie in einem Brennglas auf diesem kleinen Flecken Erde. Das ist viel zu wenig Menschen bewusst. Eigentlich müssten sich die Leute von weither hier auf den Füßen treten, um unsere Schätze zu bestaunen. Zugleich frage ich mich – und das auch alle, die für diese Kirchen verantwortlich sind: werden wir diesen Schatz gut weiter nutzen können? Haben wir ihn überhaupt schon verantwortungsvoll genutzt? Haben wir diese Kirchen sozusagen verdient? Werden wir in Zukunft  Menschen finden, die mit uns diese Kirchen schätzen und schützen wollen? Denn wir werden – haben die Prognosen recht – in absehbarer Zeit finanziell einknicken und diese Baulast nicht mehr stemmen können. Sollen dann diese Kirchen verriegelt werden?

 

Eine Aufgabe, die der Kirchenkreis mit seinen Kirchengemeinden nicht wird alleine stemmen können.

Nein, ganz sicher nicht. Diese Kirchen müssen, wie es zu ihrer Erbauungszeit auch war, in der Verantwortung der gesamten Bürgerschaft sein. Dafür müssen wir den Menschen aber die Augen öffnen für ihre grandiose Schönheit und die Geschichten, die sie erzählen. Wie können wir die Jugend damit vertraut machen? Mein Traum ist: alle Konfis des Kirchenkreises übernachten einmal im Jahr in den 6 Soester Kirchen. Man trifft sich am Samstagnachmittag, hat ein gemeinsames Sportturnier zwischen den Gemeinden, hinterher eine Andacht in der schummrigen Kirche und übernachtet dann unter den alten Gewölben. Am Sonntagmorgen feiern alle einen rauschenden Gottesdienst auf dem Petrikirchplatz, und nach einem Grillen geht’s nach Hause.

Mit Ihnen ist auch Ihre Familie von Minden nach Soest gekommen. Kann man trotz der widrigen Umstände von einen Angekommen-sein – sprechen?

Nein.

Gibt es schon einen Platz, einen Ort, wo Sie sich besonders wohlfühlen?

In der Hohnekirche unter dem Apsisfresko, dem sogenannten Engeltanz.

Was haben Sie als erstes getan, als die von allen ersehnte Normalität endlich wieder Wirklichkeit wurde?

Auf dem Markt von Soest gesessen und einen Kaffee mit meiner Frau getrunken.

Der Tag wird kommen, an dem wir sagen dürfen „Corona ist vorbei“ Welche Aufgabe kommt dann der Kirche, speziell Ihrer Kirche zu? Gibt es da schon Pläne, Überlegungen?

Wir sollten viele Feste feiern, um all denen zu danken, die sich in Corona so verausgabt haben. Wir sollten die Menschen besuchen, zu denen wir uns nicht getraut haben, um sie nicht gesundheitlich zu gefährden. Wir vom Kirchenkreis werden mit dem Dekanat die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Soester Intensivstationen zu einem Orgelkonzert und einem Sektempfang einladen.

Zum Schluss der Klassiker: Sie haben drei Wünsche frei – bitte kurz, knapp selbsterklärend:

Dass ein sehr großes kulturelles Projekt im Frühjahr 2023, das wir gerade planen, gelingt. Aber dazu kann ich derzeit nicht mehr sagen.

Dass meine Frau und ich Freunde in Soest und Umgebung finden.

Dass wir in Deutschland Frieden behalten und ein gastfreundliches Land bleiben – offen für die Menschen, die bei uns Zuflucht suchen.