Eingebunden in das Bündel des Lebens

Erstellt am 03.09.2021

 

Von Kathrin Koppe-Bäumer

Kirchenkreis. Einblick in die Geschichte der eigenen Lebensregion bekommen, sich bewegen und dabei freundliche und interessante Menschen kennenlernen, das hat den Teilnehmenden der Exkursionen zu jüdischen Orten im Marsberger Raum gut gefallen.

Pfarrer Dietmar Schorstein und Pfarrerin Kathrin Koppe-Bäumer hatten dazu eingeladen. Trotz Starkregens in Padberg hörte die Besuchergruppe gespannt dem Vortrag Norbert Beckers in der ehemaligen Synagoge zu. Der Ortsheimatpfleger arbeitet seit Jahrzehnten die über 300-jährige lokale jüdische Geschichte auf.

Besonders viel Energie steckte er in den Erhalt der ehemaligen Synagoge. Sie ist ein schlichtes Fachwerkhaus, das bis 1931 der jüdischen Gemeinde gehörte. Damals haben die wenigen Juden, die noch in Padberg lebten, sie verkauft. Sie wurde zur Lagerscheune eines Dachdeckers. Deshalb wurde sie am 9. November 1938 in der Pogromnacht nicht zerstört. Heute ist die Dorfgemeinschaft stolz, die einzige Fachwerksynagoge in Westfalen präsentieren zu können.

Auf der E-Bike-Exkursion standen auch die jüdischen Friedhöfe in Niedermarsberg, Madfeld, Beringhausen und Obermarsberg auf dem Besichtigungsprogramm. „Im östlichen Sauerland blicken wir zurück auf über 300 Jahre jüdischen Lebens. Leider nur auf Friedhöfen, da es aktuell keine erkennbare jüdische Bevölkerung hier gibt“, eröffnete Pfarrer Dietmar Schorstein seinen Vortrag auf dem Niedermarsberger Friedhof.

Am Zustand und an der Beschriftung der Grabsteine lassen sich ihr Alter und auch der gesellschaftliche Status der Beerdigten ablesen. Auf den ältesten, fast verwitterten, einfach behauenen Steinen stehen hebräische Buchstaben. Die Grabmale des 19. Jahrhunderts sind prächtiger gestaltet, die Inschrift auf der Vorderseite ist in der Regel deutsch, auf der Rückseite stehen hebräische Wörter. Dies belegt die wachsende Integration der Landjuden in Marsberg und Umgebung. Waren sie zunächst aus der Fremde kommende, eher geduldete Außenseiter, die beim Herzog einen Schutzbrief erstanden, waren sie in der Mitte des 19. Jahrhunderts akzeptiert im Dorf; wurden Teil der dörflichen Gemeinschaft.

Die Informationen über jüdisches Leben auf dem Land vom ehemaligen Ortsvorsteher Heinz Bickmann in Madfeld, Norbert Becker in Padberg und Beringhausen und von Pfarrer Dietmar Schorstein an allen Orten brachten Fragen und Erinnerungen hoch. „Wie hätten wir gehandelt, wenn wir in Nazi-Deutschland aufgewachsen wären?“, fragten sich manche Teilnehmer.

Andere erinnerten sich an Geschichten ihrer Großeltern und Eltern. Dass wir Verantwortung tragen dafür, dass die Geschichte jüdischen Lebens hier nicht vergessen wird und jüdische Menschen im heutigen Deutschland leben können, das wurde allen Teilnehmenden deutlich. Nur so bleibt Vielfalt bestehen.

Wie jüdische Menschen heute in Deutschland leben, können Interessierte am 26. November erfahren. Dietmar Schorstein und Kathrin Koppe-Bäumer laden herzlich ein zur Fahrt in die liberale jüdische Gemeinde „haKochaw“ in Unna-Massen. Die Rabbinerin wird über heutiges jüdisches Leben erzählen. Infos Anmeldung bei: Gemeindebüro der Evangelischen Auferstehungskirchengemeinde Olsberg-Bestwig, Telefon: 02962 7114591, E-Mail: ev.kircheolsbergdontospamme@gowaway.gmail.com . Anmeldeschluss: 28. Oktober, Teilnahmegebühr: 40 bis 50 Euro, <s> </s>abhängig von der Zahl der Teilnehmenden.

Ausführlicher Bericht: https://brilon.ekvw.de/

 

Das Eingangstor zum jüdischen Friedhof in Niedermarsberg bildet eine Thorarolle nach.

Norbert Becker informierte über die Geschichte der Padberger Synagoge.