"Ich bin halt eine treue Socke"

Erstellt am 12.11.2021

Das Ende einer Dienstzeit: Am 1. Advent, 28. November, wird Pfarrer Reinhard Weiß in der Kreuzkirche in den Ruhestand verabschiedet. Foto: Hans-Albert Limbrock

Von Hans-Albert Limbrock

Hüsten. Der Satz klingt kategorisch und ist auch so gemeint; lässt keinen Spielraum für Interpretationen: „Nach meiner Verabschiedung Ende November braucht erst einmal ein Jahr lang niemand bei mir anklopfen.“ 34 Jahre lang war Reinhard Weiß Pfarrer in Hüsten. Kein anderer Pfarrer kann aktuell im Kirchenkreis Soest-Arnsberg auf eine derart lange Dienstzeit in einer Kirchengemeinde zurückblicken.

Reinhard Weiß hat nicht etwa die Nase voll von seinem Beruf und den vielfältigen Aufgaben. Aber die lange Zeit hat natürlich auch ihre Spuren hinterlassen. Durchatmen, Abschalten, Abstand gewinnen sind daher jetzt erst einmal angesagt. Deshalb freut er sich auf die Monate, die nach seiner offiziellen Verabschiedung am Sonntag, 28. November, in der Kreuzkirche kommen: „Das wird ein echtes Sabbatjahr. Und das brauche ich auch.“

Das liegt auch ein wenig daran, dass er sich sein letztes Jahr im aktiven Dienst ein wenig anders vorgestellt hatte: „Aber dann kam Corona und hat uns allen eine böse Überraschung bereitet. Und so ist mein letztes Jahr einerseits ruhiger verlaufen als all die Jahre zuvor, andererseits musste ich neue Dinge wie zum Beispiel Videokonferenzen lernen.“

Es passte einfach

Als der gebürtige Gelsenkirchener 1987 seinen Dienst als Pfarrer in Hüsten antrat, konnte er natürlich noch nicht ahnen, dass dies eine Lebensstellung werden würde. Aber so ein bisschen war es halt wie die Liebe auf den ersten Blick: „Es passte einfach.“ Das lag zum einen daran, dass Reinhard Weiß und seine Frau Lydia schon immer ein inniges Verhältnis zur Natur hatten und auch heute noch haben. In ihrem Wohnort Müschede, wo sie auch nach der Pensionierung wohnen bleiben wollen, haben sie sich daher gleich wohlgefühlt.

Zudem hatte die Gemeinde einen starken musikalischen Schwerpunkt, was Pfarrer Weiß als ebenso ambitioniertem wie passioniertem Musiker sehr gelegen kam. Gitarre, Trompete, Orgel oder Klavier – der Seelsorger ist Multiinstrumentalist und hat sich in dieser Funktion buchstäblich hörbar ins Gemeindeleben eingebracht: „Ich musste mich in der Tat nicht großartig eingewöhnen. Das verlief wirklich vom ersten Tag an reibungslos.“ Auch deshalb haben er und seine Familie nie Ambitionen gehabt, in eine andere Stadt oder Kirchengemeinde zu wechseln. „Ich bin eben eine treue Socke“, wagt er augenzwinkernd eine Selbsteinschätzung.

Jetzt, wo der Ruhestand naht, hat der 63-Jährige für sich ein wenig Bilanz gezogen. Die Zahlen sind beeindruckend. Und man muss nicht viel Phantasie aufbringen, um zu erahnen, wie viel Seelsorge, Fürsorge und Liebe zu den Mitmenschen in diesem Zahlenwerk stecken: über 500 Konfirmanden, 400 Beerdigungen, 400 Taufen und 100 Trauungen.

Keine Langeweile

„Langweilig ist mir in der Tat nie geworden“, schmunzelt er und nennt die Arbeit mit Kindern und Jugendlichen als seine Herzensangelegenheit: „Das hat mir immer besonders viel Freude gemacht. Aber es war insgesamt eine intensive und befriedigende Arbeit in einer sehr aktiven Gemeinde. Ich konnte hier unterstützt von vielen engagierten Menschen schalten, walten und gestalten.“

Dass ihm das in Zukunft fehlen wird, darauf bereitet er sich gerade mental vor. Auch deshalb soll das Sabbatjahr der Neuorientierung dienen: „Danach bin ich aber gerne bereit, weiter mitzuhelfen und einzuspringen, wenn ich gebraucht werde.“

Dieses Angebot wird die Gemeinde mit Sicherheit dankbar annehmen, denn  der Pfarrstellenschlüssel sieht nicht vor, dass die Stelle wieder besetzt wird; sie bleibt - so der kirchenamtliche Sprachgebrauch - „dauerhaft vakant“.  Zwar wird die Stelle von Pfarrerin Ulrike Rüther aufgestockt und auch Pfarrerin Claudia Schäfer bekommt einen höheren Stellenanteil für Hüsten, aber das kompensiert natürlich nicht die Weiß-Stelle zu 100 Prozent.

Dass Reinhard Weiß, der mit seiner Frau in den kommenden Monaten vor allem viel reisen und dem gemeinsamen Faible Museumsbesuche frönen will, eine große Lücke hinterlässt, weiß auch Reiner Ahlborn vom Presbyterium: „Wir haben ihm viel zu verdanken und werden wohl erst nach seinem Ausscheiden merken, wie viel er für die Evangelische Kirchengemeinde Hüsten geleistet hat.“