Nach fast 500 Jahren geht der letzte von Bord

Erstellt am 10.02.2023

Werner Vedder geht in Ruhestand und beendet die lange Tradition der Pfarrer in Dinker

Werner Vedder zeigt es auf der „Ahnentafel“, die in St. Othmar hängt: Mit ihm geht nun in Dinker der letzte Pfarrer einer Reihe, die einst mit Bernhard Schubeus im Jahr 1532 ihren Anfang nahm. Foto: Hans-Albert Limbrock

Von Hans-Albert Limbrock

Dinker. Fußball-Bundesligist FC Schalke 04 hat in knapp zwölf Jahren achtzehn Trainer verschlissen. Nun ist ein Pfarrer kein Fußballtrainer. Aber es ist schon mehr als bemerkenswert, dass die Kirchengemeinde Dinker in fast 500 Jahren nur ganze achtzehn Pfarrer hatte. Mit Werner Vedder geht nun der Letzte einer Reihe, die einst mit Bernhard Schubeus im Jahr 1532 ihren Anfang nahm. Die jeweils lange Verweildauer der einzelnen Pfarrer darf dabei durchaus als Indiz für die Attraktivität der Gemeinde Dinker (heute Niederbörde) und dafür gesehen werden, dass Tradition und Bindung der Gemeinde zu ihrem Seelsorger hier schon immer eine große Bedeutung gehabt hat(te).

„Am längsten“, weiß der kirchenhistorisch bestens bewanderte Vedder, „war Carl Franz Caspar dabei. 59. Jahre lang! Das ist heute gar nicht mehr vorstellbar.“ Und auch wenn er selbst mit acht Jahren Dienstzeit vergleichsweise nur kurz Gemeindepfarrer im Welveraner Ortsteil und in seiner St. Othmar-Kirche war, so gilt auch für Vedder: Dinker, immer wieder Dinker. Die familiären Wurzeln der Vedders reichen dabei bis in die Zeit der Reformationsanfänge zurück: „Die erste urkundliche Erwähnung des Namen Vedder geht auf 1532 zurück“, weiß der bald 63-Jährige, der selbst aus Dinker stammt, im Kirchspiel aufgewachsen, eingeschult und konfirmiert worden ist. Mehr Dinker geht schon gar nicht mehr.

„Von allen Seiten umgibst du mich und hältst deine Hand über mir“, lautete sein Konfirmationsspruch im Jahr 1973, wo er zum ersten Konfi-Jahrgang von Pfarrer Wilfried Vollmer gehörte, dem er viel für seinen späteren Berufsweg zu verdanken habe: „Ohne ihn hätte ich nicht Theologie studiert.“ Schließlich entdeckte er hier sein Interesse an Glaubensfragen und ließ sich vom damaligen Gemeindepfarrer für den Beruf des Seelsorgers begeistern.

Dinker, immer wieder Dinker: Schon während des Theologie-Studiums in Münster und Bochum hat er in St. Othmar erste Predigten gehalten. Von 1987 bis 1988 kehrte nach dem Studium während seiner Zeit im so genannten Hilfsdienst in Lippborg in die Heimat zurück und war natürlich auch in Dinker und der Kirchengemeinde wieder oft gesehen. Die folgenden Jahre hat er ab 1988 in der Möhne-Gemeinde verbracht: „Achtzehn Jahre Diaspora-Dienst in Völlinghausen und Möhnesee.“

Als nächste und vorläufig letzte Station steht ab 2006 die Petri-Pauli-Gemeinde in Soest in seiner Vita, ehe es ab 2015 zurück zu den Wurzeln nach Dinker ging. Wie war die Rückkehr in die Heimat; in die bestens vertrauten Gefilde, wo der Pfarrer nahezu jeden Stein seiner Kirche, aber in jedem Fall jedes Gemeindeglied bestens kennt: „Das ist eine spannende Frage. Auch ich habe mich ja gefragt: Kann man Pfarrer in seiner Heimatgemeinde sein?“

Und wie lautet heute, nach acht Jahren die Antwort? Vedder: „Die Antwort kann ich nur für mich geben. Die hat keine allgemeine Gültigkeit. Für mich kann ich sagen: Ja, man kann.“ Eines sei ihm dabei klar geworden: Der Dienst in der Heimatgemeinde sei deutlich intensiver und extremer: „Für die Menschen hier bin ich ja einer von ihnen.“ Das bedeute Dienst an sieben Tage die Woche und auch nach Dienstschluss müsse man noch zur Verfügung stehen.

„Aber“, so Vedder, „das hat mir Spaß gemacht. Das habe ich gerne gemacht. Das alles war immer ein Geben und Nehmen.“ Wohl auch deshalb gibt es praktisch keinen Verein, in dem er nicht Mitglied ist. „Das gehört einfach dazu.“

Rückblickend erinnert er sich an eine ganze Reihe von Projekten, der er während seiner nunmehr 38 Dienstjahre initiiert oder begleitet hast: Bau des Kindergartens „Arche“ in Völlinghausen, Notfall- und Feuerwehr-Seelsorge, Miterfinder der Motorrad-Wallfahrt „MotoMaria“, Pfingstzeltlager, Krippenausstellung, Fusion der Welveraner Kirchengemeinden zur Niederbörde und vieles mehr.

Was sollen „seine Schäfchen“ über einen sagen, der bei tausend Beerdigungen Menschen auf ihrem letzten Weg begleitet hat, wenn er jetzt in den Ruhestand geht? Werner Vedder überlegt nur kurz: „Wir haben viel mit ihm erlebt; er war einer von uns.“