Auf der Suche nach Fachkräften für morgen

Erstellt am 20.04.2023

Kirchenkreis Soest-Arnsberg und Stift Cappel Berufskolleg denken gemeinsam in die Zukunft

Schulleiterin Martina Schaub in ihrem Element: beim Kitaleitungstreffen wirbt sie für ihre Schulabgänger:innen und für eine gemeinsame Zusammenarbeit. Foto: Julie Riede

Von Julie Riede

Soest/Lippstadt. Martina Schaub ist eine resolute Frau. Das muss auch so sein, meint mancher sicher unwillkürlich, wenn er oder sie hört, welche Aufgabe Schaub hat. Die Diplom-Wirtschaftspädagogin ist Schulleiterin des Stift Cappel Berufskollegs (und auf die korrekte Namensnennung – Berufskolleg am Ende! – wird sie nicht müde hinzuweisen).
Ein Job, der seine Herausforderungen hat. Als Bindeglied zwischen Schulverwaltungsebene mit all ihren Gesetzen und Pflichten, zwischen der Leitungs- und Zusammenarbeit mit den Lehrkräften und weiterem Personal sowie der Verantwortlichkeit für die Bildungs- und Erziehungsarbeit der Schülerinnen und Schüler ist es eine Aufgabe, die man sich zutrauen muss.

In NRW herrscht seit Jahren ein Mangel an Schulleiter:innen. Die Pandemie hat dieses Problem noch zusätzlich verschärft. Laut NRW-Schulministerium ist an 415 Schulen in Nordrhein Westfalen die Position der Schulleitung nicht besetzt. Das sind immerhin etwa neun Prozent aller öffentlichen Schulen. Kommissarische Leitungen sind die Folge – immer mehr Lehrer:innen üben sich notgedrungen im Spagat zwischen Lehre und Leitung. Die Aufgaben sind seit jeher komplex, dazu sind seit den Flüchtlingskrisen der vergangenen Jahre Integrationskonzepte hinzugekommen, Schutzkonzepte zu Zeiten von Corona und auch Themen wie Sucht- und Gewaltprophylaxe, oder  Prävention vor sexuellen Missbrauch. Ein weites Feld also.

In einem Onlineartikel auf „Zeitheute“ vom 9. März fragt Redakteurin Dorthe Ferber „Schulleiter-Mangel: Ein Posten ohne Prestige?“ Im Artikel werden Gründe genannt, wie fehlende Anreize, „viel Verantwortung, aber nur wenig zusätzliche Vergütung“. Auch das in vielen Branchen bekannte demografische Problem wird genannt. 

„Herausfordernd und anspruchsvoll“ so zitiert Ferbers Artikel das NRW-Schulministerium, wenn es um die Position der Schulleitung geht. Trotzdem gibt es Menschen, die den Job ausführen, sogar gerne ausführen, oder auch mit spürbarer Leidenschaft ausfüllen. Martina Schaub ist so eine, die die „herausfordernde, anspruchsvolle Aufgabe“ mit spürbarer Leidenschaft angeht. Prestige, den Eindruck gewinnt man schnell, kann hier nicht der Grund für die Annahme der Aufgabe sein. Sie tritt auch gerne Mal in Jeans und Pulli auf, und trotzdem büßt sie damit keine Spur ihrer Kompetenz ein.

Unermüdlich wirbt Martina Schaub an verschiedensten Stellen für die Lehrgänge des Kollegs und klärt über die vielfältigen Einsatzmöglichkeiten der Absolventen und Absolventinnen auf. So konnte man sie live erleben auf der Leitungskonferenz der Kitas des Evangelischen Kirchenkreises Soest-Arnsberg. Dort stellte sie Berufe bzw Lehrgänge am Berufskolleg vor, die auch interessant für den Kitabereich sind – wie der/die Sozialassistent:in.

Drei Bildungsgänge im Sozial- und Gesundheitswesen vermitteln Schulabgängern aus den allgemeinbildenden Schulen gleichzeitig einen Ausbildungsberuf oder berufliche Kenntnisse, Zusatzqualifikationen und einen höheren Schulabschluss:

Der bzw. die Sozialassistent/ -in mit Fachoberschulreife; die Fachhochschulreife (Fachabi) mit Zusatzqualifikation „Alltagsbegleiter im Altenpflegeheim“; und die Allgemeine Hochschulreife (AHR) am Beruflichen Gymnasium für Gesundheit mit Zusatzqualifikation „Alltagsbegleiter im Krankenhaus“. Vom Hauptschulabschluss bis zum Gymnasialen Berufsabschluss ist also alles möglich. „Praxis und Fachliches gehen hier Hand in Hand“, so Schaub. 170 Fachbetriebe, auch überregional, sind Partner, mit denen gearbeitet wird. „Absolventen wie Sozialassistenten und Sozialassistentinnen sind als Mitarbeiter:innen auch für Kitas interessant“ betont die Diplom-Wirtschaftspädagogin.

Ein attraktiver Arbeitgeber

Auch wenn im Evangelischen Kirchenkreis Soest-Arnsberg für das kommende Kita-Jahr laut Geschäftsführer Tobias Eikel alle Stellen besetzt sind und der Kirchenkreis als attraktiver Arbeitgeber in der Region gilt, wappnet man sich für die Zukunft. Schulen und Berufskollege sowie Kitas kämpfen, und das nicht nur in NRW, einen gemeinsamen Kampf. Die Corona Pandemie hat die Situation nur verschärft. Wer immer nur liest und hört, wie schlimm die Zustände in einer Branche sind, der bewirbt sich kaum in diese hinein. Diesem zu Unrecht schlechten Image muss entgegengewirkt werden, darin waren sich alle anwesenden Leitungs- und Fachkräfte einig.

Es gibt gute und schlechte Jahre, der Konkurrenzdruck auf dem Arbeitsmarkt ist groß. In die Zukunft denkt man daher gemeinsam. Die Kitas haben großes Interesse daran, die Verbindungen zum Stift Cappel Berufskolleg zu vertiefen. So könne man beispielsweise das eigene Personal direkt ausbilden lassen, ohne dass dieses auf den freien Markt abwandere, wenn man enger zusammenarbeite. Wenn man ein eigenes Berufskolleg im Kirchenkreis hat, sollte man diese Synergien nutzen, so die Idee. Es fällt auch das Schlagwort PiA Ausbildung. PiA – das ist eine praxisintegrierte Ausbildung zum Erzieher und zur Erzieherin. Diese ist mit einer verkürzten Ausbildungszeit und einem Ausbildungsgehalt eine attraktive Alternative zur klassischen Erzieher-Ausbildung.

In Zeiten, in denen viele auf das Gehalt schauen (und schauen müssen) sind Menschen wie Schaub ein Vorbild. Und allen Leitungen, die sich trotz immer neuer Widrigkeiten und Verordnungen nicht ins Boxhorn jagen lassen, gebührt hier Respekt. Ein Posten für alle, die Herausforderungen nicht scheuen. Doch egal in welchem Beruf oder in welcher Position: um Herausforderungen wird auch in Zukunft ohnehin niemand herum kommen.

Hintergrund

Das Stift Cappel ist das kleinste Berufskolleg im Kreis, in Trägerschaft des Evangelischen Kirchenkreises Soest-Arnsberg und des Evangelischen Krankenhauses Lippstadt. Zwischen 130 und 150 Schüler:innen werden im Stift Cappel Berufskolleg von 29 Mitarbeiter:innen betreut. „Alle Lehrer sind ausgebildete Fachkräfte“ betont Schaub.  Auch hier ist der Fachkräftemangel spürbar, daher wird aktiv für den Beruf im Lehramt geworben. Ein Imagefilm, den man auf der Webseite des Berufskollegs finden kann, unterstreicht die familiäre Atmosphäre und das gute Miteinander unter Schüler:innen und Lehrer:innen.