Vorne anfangen - auf Umwegen

Erstellt am 17.05.2023

Wie ein Innovationsfond wichtige Starthilfe für ein hart erkämpftes Projekt geben konnte

Klaus-Martin Strunk, Geschäftsführer des TeamGeist Innovationsfonds, besuchte die beiden Projektverantwortlichen, Mirja Friedrich (links) und Pfarrerin Dr. Dr. Yvonne Buthke für ein Zwischenresümee. Foto: Julie Riede

Von Julie Riede

Lippstadt. Drei Jahre ist es nun her, da hieß es in Lippstadt, man wolle wieder „Vorne anfangen“. Gemeint war und ist damit ein Projekt, mit dem man sich bereits „in den Kinderschuhen“ um den Nachwuchs kümmert; nämlich schon bei den werdenden Eltern. Das Konzept konnte überzeugen – zumindest erst einmal die Evangelische Kirche von Westfalen (EKvW), die es für eine Projektdauer von drei Jahren mit 50.000 Euro aus dem Innovationsfond „Teamgeist“ gefördert hat. Im Juni läuft diese „Finanzspritze“ nun aus. Zeit, Revue passieren zu lassen und sich einmal anzuschauen, wo das Projekt heute steht, fand Klaus-Martin Strunk, Geschäftsführer des TeamGeist Innovationsfonds und besuchte das Team vor Ort in Lippstadt.

Menschen auf eine neue Weise mit Gottes Segen auf dem Weg durchs Leben zu begleiten. Das war der Plan. Gleichzeitig soll das Projekt Signalwirkung auch für andere Gemeinden haben und in ihnen den Mut wecken, eben „von Vorne“ anzufangen. Gegen den Abwärtstrend der Kirchenmitglieder will das Projekt hier an der Wurzel der Familie greifen. Eltern mit den kirchlichen Angeboten wie Segnung, Taufe oder Konfirmation in Berührung zu bringen, oder es einfach wieder ins Gedächtnis zu rufen – Kindern den Glauben und das Wirken von Kirche „in die Wiege zu legen“, dies ist Ziel des Projektes.

Federführend haben Sozialpädagogin Mirja Friedrich und Pfarrerin Dr. Yvonne Buthke das Projekt definiert und in den vergangenen drei Jahren umgesetzt. Zumindest, soweit dies möglich war. Denn Corona machte ihnen hier einen ordentlichen Strich durch die Rechnung. Ausgerechnet im ersten Jahr der Pandemie ging das Projekt an den Start.

Mirja Friedrich und Pfarrerin Yvonne Buthke wollten dahin gehen, wo die jungen Eltern sind: Zu Elternmessen, in Geburtsvorbereitungsrunden und auf die Neugeborenenstation im Evangelischen Krankenhaus, als Ansprechpartnerinnen und Begleiterinnen. Das Projekt wurde von Grund auf flexibel ausgelegt: Was ist gewünscht, wo sind Bedürfnisse? Zuerst wollte man ins Rollen kommen- doch das Projekt führte über viele Umwege. „Wir sind unterwegs“ beschreibt es Mirja Friedrich.

Durch Corona mussten Inhalte umgekrempelt werden. Die große Frage: Wie kann man Mittel und Wege finden, Familien in Kontakt mit Glauben und Kirche zu bringen, wenn strengste Kontaktverbote gelten? Die Idee war, Kontakt zu schwangeren Müttern zu finden. Doch gerade die gehörten zu einem besonders gefährdeten und daher abgeschotteten Bevölkerungsteil. Hebammen und das Krankenhaus sollten unterstützend wirken. Das war bisher problematisch. „Bis heute“ so berichtet Mirja Friedrich „ist der Zustand auf der Neugeborenenstation so, dass es verschärfte Zutrittsregelungen gibt“.

Der Fuß ins Krankenhaus war somit blockiert durch die vielen Sicherheitsvorkehrungen. Persönliche Segnungseinladungen vor Ort zum Beispiel waren nicht möglich. Willkommensgeschenke (Halstuch und Karte) waren hier die zündende Idee, eine Brücke zu schlagen. Ehrenamtliche haben bereits über 1000 Tücher genäht. 500 Stück sind schon ausgeteilt worden. „Wir sind sehr dankbar für die tolle Hilfe der Ehrenamtlichen, es war unglaublich,  in welch kurzer Zeit so viele wunderschöne und individuelle Tücher genäht werden konnten“, so Friedrich.

Digitales Format „Immer freitags“

Da der direkte Weg zu den Neugeborenen und Kleinkindern aber weiterhin versperrt war, versuchte man, über die älteren Kinder an diese heranzukommen beziehungsweise an die Eltern, so Friedrich. Eine Einladung an Drittklässler, zur Weihnachtskrippe in die Marienkirche zu kommen, war im ersten halben Jahr 2021 ein gutes Mittel hierfür. Der Lippstädter Liedermacher Reinhard Horn und die Katholische Kirche waren ebenfalls hilfreiche Partner in der schwierigen Situation.

Weitere Anknüpfungspunkte waren der Kinderbibeltag oder Advent in Grundschulen. Auch sieben Videos zur Passionszeit wurden den Grundschulen zur Verfügung gestellt, jede Passionswoche wurde ein Video für das Homescooling bereitgestellt. Digitale Angebote haben die Möglichkeit der einfachen Teilnahme am Taufinformationsabend für Eltern ermöglicht. Dies sei für Eltern zuhause angenehmer und unkomplizierter als Termine vor Ort. „Eltern, die ihre Kinder taufen lassen möchten, kommen hier in Kontakt miteinander“ berichtet Friedrich.

Seit diesem Jahr wird auch Social Media ausprobiert – ein Instagramkanal wurde ins Leben gerufen. Das digitale Format „immer freitags" wurde zuletzt in ein präsentes Angebot umgewandelt. Hier finden Eltern Anknüpfungspunkte an reale Gemeinschaft. Es ist als Abendessen mit Tischgebet geplant, Freitagabend ab 17.30 Uhr.

Bei der Planung stand die Frage im Raum: „welches Angebot bietet den Familien einen Mehrwert?“ Ein Essen, zu dem man eingeladen wird, war hier die Idee, „wo man sich mal um nichts kümmern muss ", so Friedrich. An Sonntagen finden überdies Taufgottesdienste statt.

„Vorne anfangen“ ist nicht begrenzt auf Lippstadt, erklärt Pfarrerin Dr. Yvonne Buthke auf Nachfrage von Klaus-Martin Strunk. „Aber natürlich werden bei Taufen die eingeladen, von denen wir wissen, durch unsere Adressdateien. Durch das Krankenhaus ist es aber gelungen, überkreisweit Bekanntheit zu erlangen und die Krabbelgruppe spreche zum Beispiel auch Menschen aus Warstein oder Rietberg an.

Zuletzt kommt die Frage nach dem „danach“ auf – gemeint ist: nach der Förderphase. „Vorne anfangen ist eine Säule der Kirchengemeinde und wird bei allen Veranstaltungen mitberücksichtigt. Es ist ein Bekenntnis dafür, dass Familien und Kinder in der Kirche mehr Gehör finden sollen. Teamgeist hat wichtige Unterstützung in der Startphase geleistet. Die Kirchengemeinde trägt das Projekt auch nach Ablauf der Förderphase im Sommer dieses Jahres weiter und möchte es erweitern und vertiefen. Für die Starthilfe sind wir sehr dankbar“, so Buthke .