In den Soester Buchhandlungen – hier: Enneke Siedler von der Ritterschen – stehen die Romane von Dirk Schümer und Michael Römling natürlich ganz vorne in der Lesergunst. Foto: Hans-Albert Limbrock
Von Hans-Albert Limbrock
Soest. Von einem Wettbewerb oder gar einem Duell zu sprechen, ist weder angebracht noch zielführend. Das würde den zwei Soester Schriftstellern Dirk Schümer und Dr. Michael Römling auch in keiner Weise gerecht. Aber es ist in jedem Fall gleichermaßen bemerkenswert wie auch spannend, dass beide innerhalb von einer Woche ihre neuen, historischen Romane veröffentlichen – und einander bisher nicht begegnet sind.
Während Schümer seinen aus Soest stammenden Helden Wittekind Tentronk in „Die weiße Lilie“ in das von der Pest und einer weltweiten Finanzkrise gebeutelte Italien ins Jahr 1348 nach Florenz schickt, darf Römlings Protagonist Tankred sich zum dritten Mal mit den Wikingern und allerlei Gefahren in der Karolinger-Zeit des 9. Jahrhunderts herumschlagen.
Erneut haben Schümer und Römling prächtiges, fast 1100 Seiten starkes Lesevergnügen zwischen die Buchdeckel gepresst, das die Fans von historisch gut recherchierten und exzellent geschriebenen Romanen sicherlich erneut begeistern wird.
Römling startet dabei mit einigen Vorschusslorbeeren in den Kampf um die Gunst der Leser. Beim Online-Händler Amazon liegt der Historiker in der Bestseller-Kategorie „Abenteuer für Männer“ (was immer das auch sein mag) auf Platz eins und lässt dabei solche Branchengrößen wie Ken Follett und Bernhard Cornwell hinter sich. „Das sind natürlich nur Momentaufnahmen, die mich aber selbstverständlich freuen“, sagt der inzwischen in Göttingen lebende Römling. Wichtiger als solche Listen seien ihm allerdings die Online- Bewertungen. „Ich muss gestehen, dass ich mir das hin und wieder anschaue. Dabei interessiert mich weniger die Qualität der einzelnen Bewertungen als vielmehr die Anzahl. Daran lässt sich ganz gut ablesen, wie man wahrgenommen wird und wie sich der Erfolg der Bücher entwickelt.“
Dirk Schümer ist nach eigener Aussage „total gelassen“, was Bestsellerlisten und Verkaufszahlen angeht: „Ich habe als Journalist mit Festanstellung ja das Privileg, nicht von den Buchverkäufen leben zu müssen. Das macht es natürlich einfacher.“ Das sei auch der Grund gewesen, warum es so lange bis zu seinem ersten Roman „Die schwarze Rose“ (Frühjahr 2022) gedauert habe. „Ich wollte ursprünglich keine Romane schreiben, weil ich ja in der journalistischen Tagesarbeit stecke und dort mein Auskommen habe. Deshalb hat es mich lange nicht gereizt, mir für ein Buch zusätzlich den Rücken krumm zu machen.“ Der Lockdown in der Pandemie mit den damit verbundenen Reiseeinschränkungen hat dann für ein Umdenken und für die Idee zu „Die schwarze Rose“ gesorgt.
Dirk Schümer
Obwohl beide Autoren aus Soest kommen, innerhalb der Wälle groß geworden sind und es eine Vielzahl von Parallelen gibt, haben sie sich bisher nicht persönlich kennengelernt. Schümer ist im Elternhaus am Vreithof (Cafe Schümer) aufgewachsen, hat am Aldegrever Abitur gemacht, in Paris und Hamburg mittelalterliche Geschichte studiert und einige Jahre in Italien (Venedig) gelebt. Römlings Elternhaus steht in der Thomästraße, am Conrad-von-Soest-Gymnasium ist er zur Schule gegangen, hat in Rom, Göttingen und Besançon Geschichte studiert und lange Zeit in Rom gelebt. Beide sind zudem dem Soester Heimat- und Geschichtsverein eng verbunden; haben für die „Soester Zeitschrift“ (Schümer: „Darin lese ich jede Zeile“)mehrere Beiträge verfasst.
„Es hat sich einfach noch nicht ergeben, dass wir uns mal begegnet sind“, sieht Schümer die Sache recht pragmatisch. Immerhin hat der Journalist, der inzwischen in Baden-Baden lebt, den ersten Tankred-Band gelesen: „Der hat mir gut gefallen; ich habe das gerne gelesen. Ich mag diese leicht ironische Schreibweise von Römling und dass sein Held Tankred eine gewisse westfälische Nüchternheit hat. Das ist vielleicht sogar eine Gemeinsamkeit zu meiner Figur Wittekind.“ Jüngst hat er sogar während einer journalistischen Recherchearbeit in der Eifel das Kloster Prüm besucht: „Dort beginnt ja der Tankred-Zyklus, deshalb wollte ich mir das mal ansehen.“.
Michael Römling hat bisher keinen der beiden Romane von Dirk Schümer gelesen. „Aber vermutlich werde ich das jetzt mal nachholen.“
Beide sind übrigens davon überzeugt, dass ihr Faible für Geschichte und speziell für das Mittelalter durch das Aufwachsen im historischen Stadtkern von Soest geweckt worden ist. „Daran gibt es für mich überhaupt keinen Zweifel; das hat mich ganz massiv geprägt“, ist sich Schümer sicher und ergänzt: „Schließlich hat schon Rainer Maria Rilke in einem Prosatext sinngemäß geschrieben, wer in Soest aufwächst, hört immerzu die Stimmen der Vergangenheit.“
Auch Michael Römling teilt die Vorliebe zu historischen Städten uneingeschränkt und sieht die Wurzel dafür ebenfalls in seiner Soester Kinder- und Jugendzeit: „Das ist nicht zu leugnen. Ich mag Städte mit alten Mauern und Kirchen. Das ist mein natürliches Habitat und hat mich und mein schriftstellerisches Arbeiten ganz maßgeblich geprägt.“
Und weil das so ist, dürfen sich die Freunde und Freundinnen historischer Romane auch in Zukunft auf seitenstarkes „Lesefutter“ der beiden freuen. „Die schwarze Wölfin“ lautet der Arbeitstitel für das dritte Abenteuer von Wittekind Tentronk. „Das wird aber noch ein bisschen dauern“, dämpft Schümer allzu voreilige Erwartungen. „Die Idee ist da; aber ich habe gerade erst mit der Recherche begonnen.“ So viel kann immerhin schon verraten werden: „Die Handlung spielt 1353 in Rom, also im Zentrum der Geschichte. Da ist wahnsinnig viel passiert und da muss ein Soester wie Wittekind natürlich seine Finger drin haben.“
Nach Italien, wo seine ersten beiden Romane „Pandolfo“ und „Mercuria“ größtenteils spielen, wird vielleicht auch Römling schriftstellerisch zurückkehren: „Noch ist aber nichts spruchreif. Nach drei Tankred-Bänden habe ich aber in jedem Fall Lust, wieder etwas Neues zu machen. Erste Ideen sind da und ein Exposé ist gerade in Vorbereitung.“
Und für alle, die sich nun fragen, wann die beiden Autoren denn mal wieder in Soest lesen werden: Michael Römling liest am Dienstag, 24. Oktober, in der Soester Stadtbücherei. An einer Lesung mit Dirk Schümer wird für das kommende Frühjahr gearbeitet.
Mit „Die weiße Lilie“ hat Dirk Schümer in dieser Woche seinen zweiten historischen Roman veröffentlicht. Foto: Andreas Stephany (Zsolnay-Verlag)
Dirk Schümer wurde 1962 in Soest geboren und hat 1981 am Aldegever-Gymnasium sein Abitur gemacht, dem folgte ein zweijähriges Volontariat bei der WESTFALENPOST. Nach dem Zivildienst in Tübingen studierte er Germanistik, Philosophie und mittelalterliche Geschichte in Hamburg, Paris und Basel. Anfang der 1990er Jahre wurde er für die Frankfurter Allgemeine Zeitung (FAZ) tätig. 1993 kehrte er nach kurzer Tätigkeit als Kulturreporter beim Spiegel zur FAZ zurück und war wieder im Bereich Feuilleton tätig. 2014 wechselte er in gleicher Funktion zur Welt-Gruppe (Springer-Verlag), für die er über europäische Themen, Politik, Gesellschaft und Kultur berichtet. Nach einigen Sachbüchern ist im Frühjahr 2022 sein erster Roman „Die schwarze Rose“ und jetzt „Die weiße Lilie“ (beide im Verlag Zsolnay) erschienen. Schümer lebt in Baden-Baden.
Dr. Michael Römling stammt ebenfalls Soest (1973 geboren), hat nach dem Abitur in Göttingen, Besançon und Rom Geschichte studiert und in Rom, wo er einige Jahre gelebt hat, auch seine Doktorarbeit geschrieben. In Soest hat Römling 2005 mit zwei Freunden den Tertulla-Verlag gegründet und dort Bücher über Stadtgeschichte deutscher Städte wie (natürlich) Soest, Münster oder Bremen veröffentlicht. Seit 2007 sind von ihm verschiedene Jugendbücher im Coppenrath-Verlag erschienen. Mit „Pandolfo“ (2019) und „Mercuria“ (2020), die beide bei Rowolth erschienen sind, ist er in das Genre der Erwachsenenliteratur gewechselt. Bei Rowolth sind auch die Tankred-Bücher erschienen. Der promovierte Historiker lebt mit Familie in Göttingen.
In der Nachbarschaft von St. Thomä ist Michael Römling aufgewachsen. Mit „Krone und Kelch“ aus der Tankred-Reihe hat er bereits seinen fünften historischen Roman geschrieben. Foto: Hans-Albert Limbrock