Menschen begegnen und begleiten

Erstellt am 29.09.2023

Pfarrkonferenz im September zeigt bewährte und neue Praxis aus dem Täglich Brot von Geistlichen

Viele spannende Erkenntnisse zum Thema Liturgie und Kasualien gewannen Pfarrerinnen und Pfarrern durch Rednerin Prof. Dr. Sonja Keller von der Augustana-Hochschule in Neuendettelsau im Vortrag sowie durch die anschließende Diskussion untereinander. Foto: Julie Riede

Von Julie Riede

Brilon. „Lebensübergänge gestalten. Liturgische, seelsorgerliche und homiletische Potenziale der Kasualien“ – so lautete der zugegeben im ersten Moment doch recht theoretisch anmutende Titel eines Vortrages zur Pfarrkonferenz in Brilon, zu dem Pfarrerinnen und Pfarrer des Evangelischen Kirchenkreises Soest-Arnsberg in das Gemeindehaus an der Kreuzigermauer geladen waren.  Rednerin Prof. Dr. Sonja Keller von der Augustana-Hochschule in Neuendettelsau lehrt im Fach Praktische Theologie, sie gab im ersten Teil der Veranstaltung spannende Einblicke zu Zahlen und Fakten.    

Kasualien. Hinter dem Wort verbergen sich nicht weniger als die wichtigsten Anknüpfungspunkte der Geistlichen an die Menschen einer Gemeinde. Generationenübergreifend findet sich hier ein direkter Kontakt sowohl zu Gemeindemitgliedern als auch Nicht-Mitgliedern. Die drei Protagonisten der Kasualie sind die Taufe, die kirchliche Hochzeit sowie die kirchliche Beerdigung. Keller beschreibt eine Multi-Dimensionalität: „In Taufe, Konfirmation, Trauung und Bestattung überlagern sich gottesdienstliche Ereignisse, familiäre Feiern und biographische Anlässe. Die christliche Tradition gewinnt Relevanz für die individuelle Lebensgestaltung.  Doch hier findet sich gleichsam auch ein Spannungsfeld zwischen kirchlichen Vorgaben und persönlichen Wünschen.“

Zahlen zeigen, das die Taufe noch heute einen starken Ankerpunkt im Leben vieler Menschen darstellt. Die Kindertaufe ist seit dem fünften Jahrhindert der Regelfall; die Taufe gilt als leibliches „Gnadenzeichen“ seit Luther. Auch heute noch sind 90 Prozent der Taufen Kindertaufen. Tauffeste helfen, auch Personengruppen diese Kasualie zu ermöglichen, die einen anderen Rahmen wünschen als die traditionelle Taufe mit Familienfest. Auch Familien die nicht traditionell sind, können sich hier wohlfühlen bzw. sich diese Art der Feier auch leisten, so z.B Alleinerziehende.

Bei großen „Taufevents“, so genannten „Drop-Ins“ werden mitunter hunderte von Menschen getauft, so wie die Massentaufen 2019 in der Elbe, als 500 Menschen gleichzeitig getauft wurden.
 

Obwohl einst bedeutsam, schwindet die kirchliche Trauung als Kasualie am meisten. Dies liegt auch immer häufiger an unterschiedlichen Nationalitäten der Paare und religiöser/nichtreligiöser Partnerschaften. Die kirchliche Bestattung ist stärkste Kasualie.

Was liegt im Trend?

Taufen unter freiem Himmel, Segen für Schwangere oder Neugeborene, die schon beschriebene „Drop in"- Taufe oder auch die „Hochzeit ohne Tam Tam“ – das „Popup-Hochzeitsfest“: im kleinen Rahmen und authentisch feiert die Mehrzahl der Paare dabei ihre Segenshochzeit. Gefeiert wird vornehmlich im Freundeskreis und oft auch weniger mit der Familie. Die „Pop-Up-Hochzeit“ ist für Paare eine Möglichkeit, mögliche Konfliktklippen bei der Hochzeit zu umschiffen und sich und ihre Bedürfnisse als Paar in den Mittelpunkt zu rücken. Statt Romantik und Show steht hier so der traditionelle Ritus im Vordergrund.

Aktuelle Entwicklungen zeigen viele moderne Formen der Kasualie, die mitunter spontan möglich gemacht werden oder auch „auf Bestellung“. Es ist ein Versuch, sich dem Wettbewerb zu stellen. „St.moment“, „Ritualagentur“ oder „segen.servicestelle“ sind hier Beispiele, die man im world wide web finden kann. Regionale Strukturen sollen damit gestärkt werden – über die Gemeindegrenze hinaus.

Obwohl einst bedeutsam, schwindet die kirchliche Trauung als Kasualie am meisten. Dies liegt auch immer häufiger an unterschiedlichen Nationalitäten der Paare und religiöser/nichtreligiöser Partnerschaften. Die kirchliche Bestattung istdie  stärkste Kasualie.

In der nachfolgenden Gruppenarbeit hatten Pfarrerinnen und Pfarrer Gelegenheit, sich auszutauschen. Hier wurde klar, wie individuell die Eindrücke und Wahrnehmungen der Pfarrer:innen sind.
Die Kasualie sei eine wichtige Begleitung an lebensgeschichtlichen Übergängen, aber auch Verbindung von Lebensgeschichte und Persönlichem. Der persönliche Kontakt und die Nähe zur Lebensrealität der Menschen sei ein Geschenk, die Teilhabe an so wichtigen Momenten im Leben unglaublich wertvoll. Auch die Beerdigung bringe Menschen zusammen und sei ein wichtiger Übergabepunkt im Leben. Mit Hilfe von Gottes Wort finde man Worte für Dinge, die in der Welt oft schwer zu finden seien.

Liturgie und Seelsorge könnten sich auch „gemeinsam anfühlen“. Stichwort Gottesdienst: „Wir sprechen zu Gott über das, was wir kriegen, und das, was wir erwarten“, so die Auffassung von Pfarrer Casdorff aus Soest. Der Pfarrer sei nicht Advokat Gottes, sondern Beistand des Menschen. Die Predigt und Ansprache der Menschen sei für Pfarrer Arnoldi aus Neheim wichtig und nehme für ihn den größten Raum ein. Hier bereite er sich am meisten vor.

An dieser Stelle knüpft auch das Fazit der Pfarrkonferenz an, bei dem man sich schnell einig war: Die Kasualpraxis brauche mehr Raum in den Tätigkeiten der Geistlichen. Außerdem kämen moderne Formen von Gottesdiensten gut an, die Kunst und Chance sei es hier, sich sowohl nach individuellen Wünschen der Menschen zu richten und gleichzeitig den Ritus zu bewahren.

 

Segen für ein ganzes Leben

Bei Kasualien werden Menschen für wichtige Schritte in ihrem Leben gesegnet. Der Begriff Kasualien kommt von dem lateinischen Wort casus, was so viel heißt wie „Fälle“. Als Kasualien bezeichnet die Evangelische Kirche in Deutschland Gottesdienste, die anlässlich wichtiger Stationen im Leben von Menschen gefeiert werden: Taufe, Konfirmation, Trauung und Beerdigung. Die Taufe ist ein Sakrament. Aber auch bei den anderen Anlässen steht der Segen Gottes für die Menschen im Mittelpunkt. Segen bedeutet: Gott begleitet Menschen in ihrem Leben. Er sagt immer wieder „Ja“ zu ihnen. An wichtigen Punkten im Leben wird dieses „Ja“ Gottes in besonderer Weise im Rahmen eines Gottesdienstes erbeten. Taufen, Konfirmationen, Trauungen und Beerdigungen zählen zu den kirchlichen Amtshandlungen.

Die Kirchliche Kasualpraxis verbindet liturgisches, seelsorgerliches und gestalterisches in Riten, Gesprächen und gottesdienstlichen Handlungen. Zu den Kasualien gehören auch weitere biografisch orientierte Segenshandlungen wie Einschulung, Geburtstage, Konfirmations- oder Ehejubiläen. In der evangelischen Kirche werden nur Menschen gesegnet, keine Gebäude oder Maschinen.
(Quelle: www.ekd.de/Kasualien-Basiswissen-Glauben)