"Ich habe Tränen im Herzen"

Erstellt am 20.10.2023

Israel-Reisegruppe des Kirchenkreises braucht Zeit, um Eindrücke zu verarbeiten

Ein Foto aus glücklichen Tage - drei Tage vor dem blutigen Hamas-Terror: Die gesamte Reisegruppe des Kirchenkreises in der Nähe des See Genezareth. Foto: Privat

Von Hans-Albert Limbrock

Soest/Arnsberg. Die Koffer sind längst wieder ausgepackt. Aber angekommen? Wirklich angekommen? Nein, das sind die meisten Mitglieder der Reisegruppe des Kirchenkreises, die zwölf Tage in Israel war, noch nicht. „„Gut und sicher gelandet. Jetzt muss nur noch das Herz hinterherkommen“, hat Pfarrerin Rebecca Basse, die zu den Organisator:Innen der Reise gehört hat, bei der Ankunft im Flughafen Frankfurt am Main auf What’s App geschrieben. Und Pfarrerin Sandra Fedeler formuliert nach einigen Tagen Abstand: „Ich habe Tränen im Herzen.“

Intensiv waren die Tage in Israel. Die ersten der Reise dabei noch geprägt vom Besuch biblischer Stätten: eine Bootsfahrt auf dem See Genezareth, Taufstelle Jardenit im Jordan, die Weiße Moschee in Akko, eine Fahrt zu den geschichtsträchtigen Golanhöhen oder nach Nazareth. „Die Stimmung in der Reisegruppe war sehr gut“, erinnert sich Pfarrer Ralph Frieling, der gemeinsam mit Rebecca Basse und dem landeskundigen Guide Suleiman Abu Dajjeg die Gruppe betreut hat.

Am Samstag, 7. Oktober, wollte die Gruppe dann den Norden Israels verlassen und Richtung Bethlehem und Jerusalem fahren. Auch ein Besuch im Westjordanland, wo allein 2,5 Millionen Palästinenser leben, stand noch auf dem Programm. Während eines Halts in einer Oase erreichten den Guide dann erste Nachrichten von den verheerenden Terroranschlägen am Rande des Gaza-Streifens. „Der Schock“, so Frieling, „war für alle von uns sehr groß. Schnell war klar, dass wir nicht weiterfahren können.“ In ihrem Hotel in Tiberias waren die Zimmer zum Glück noch nicht wieder vergeben, so dass die 21 Reisenden dort erneut Quartier beziehen konnten.

Schnell kristallisierte sich vor dem Hintergrund der eskalierenden Gewalt und der dramatischen Nachrichtenlage heraus, dass an eine Fortführung des geplanten Programms nicht zu denken war. Gemeinsam mit Suleiman Abu Dajjeh hat die Gruppe daher überlegt, wie es weitergehen soll. Frieling: „Unser Guide ist einem Dorf in der Westbank aufgewachsen und hat 27 Jahre für die Friedrich-Naumann-Stiftung gearbeitet. Wir haben uns bei ihm in guten Händen gefühlt und ihm zugetraut, die Sicherheitslage sehr gut einschätzen zu können.“

Im Ostteil von Jerusalem, so dessen Einschätzung, werde man absolut sicher sein. Auf dem Weg dorthin war die militärische Präsenz zwar auffällig, aber ansonsten hat die Gruppe von der kriegerischen Auseinandersetzung in und um Gaza nichts mitbekommen. Mit einer Ausnahme, wie Frieling berichtet: „Während wir in unserem Hotel in Jerusalem waren, das direkt am Damaskustor liegt, gab es einen Bombenalarm und wir mussten alle einen Schutzraum aufsuchen.“

Dies und der sich weiter verschärfende Konflikt mit der Gefahr eines Flächenbrandes im gesamten Nahen Osten habe dann dazu geführt, dass in der Gruppe zunehmend Stimmen lauter wurden, dass man nach Hause wolle. Inzwischen war auch nicht mehr gesichert, ob der reguläre Rückflug, der mit Turkish Airlines für den 14. Oktober geplant war, überhaupt würde stattfinden.

Was dann folgte war ein regelrechter Nervenkrimi. Immer wieder wurde versucht, die Hotline der Lufthansa, die im Auftrag der Bundesregierung Sonderflüge für den Donnerstag und Freitag angesetzt hatte, zu erreichen. Doch entweder hörte man sofort das Besetztzeichen oder landete bestenfalls in der Warteschleife. Bei 2,20 Euro Gebühren pro Minute ein recht teures Vergnügen. Parallel dazu hatten daher Angehörige in Deutschland versucht, Plätze für die Gruppe in den Fliegern zu bekommen. Nach mehreren Sunden im Dauer-Versuch hatten zunächst drei Reisende Glück und bekamen für den Donnerstag Flüge, später dann auch der Rest der Gruppe.

„Das war sicherlich ein wenig nervenaufreibend“, räumt Frieling ein und kritisiert vor allem die Lufthansa, die auf diesen Ansturm offenbar nicht gut genug vorbereitet war. „Das hat unnötige Irritationen und Ängste aufgebaut.“ Umso größer dann die Erleichterung, als der Flieger am späten Freitagabend des 13. Oktober auf der Landebahn in Frankfurt aufgesetzt hat. Von dort ging es dann mit einem vom Kirchenkreis gecharterten Bus Richtung Soester Börde, wo die Reisenden von ihren Angehörigen empfangen wurden.

Während Basse und Frieling beide schon einige Male in Israel waren, war es für Sandra Fedeler die erste Reise ins Heilige Land. Und es soll nicht ihre letzte sein: „Mich hat das Israel-Virus infiziert, und ich werde mit Sicherheit wieder dorthin fahren, wenn es die politische Lage erlaubt.“ Tief berührt und bewegt erzählt sie von Begegnungen mit Israelis und Palästinensern. „Ich trage viele von diesen Menschen in meinem Herzen und bete für sie“, sagt die Lippstädterin.

So wie Fedeler ergeht es vielen Teilnehmern dieser aufreibenden Reise. Deshalb werden sie auch von der Notfallseelsorge des Kirchenkreises unterstützt. Ein erstes Treffen ist bereits geplant. „Zudem“, so Frieling, „tauschen wir uns weiterhin über unsere What’s-Gruppe aus. Das alles braucht noch seine Zeit.“