Das Ende einer Ära

Erstellt am 27.03.2024

Kirchengemeinde Niederbörde trennt sich nach 67 Jahren von Jakobikirche

Mit dem Auszug der sakralen Gegenstände endete die Zeit der Jakobikirche symbolisch und damit auch offiziell. Fotos: Hans-Albert Limbrock

Von Hans-Albert Limbrock

Lippborg. Hätte es doch vielleicht ganz anders kommen können? Wäre die Entscheidung, die Jakobikirche an die Gemeinde Lippetal zu verkaufen, nicht gefallen, wenn der Besuch des Gotteshauses immer so gut gewesen wäre wie beim Entwidmungs-Gottesdienst? Reine Spekulation. Denn an den Fakten hätte das wohl nichts bis wenig geändert: Die Kirchengemeinde Niederbörde verfügt über zu viele Gebäude, für inzwischen zu wenige evangelische Christen.

„Wir vom Presbyterium haben uns die Entscheidung, die Kirche zu verkaufen, nicht leicht gemacht. Wir wissen: Viele Menschen verbinden mit diesem Ort besondere Erinnerungen“, betonte Friedrich Schulze zur Wiesch, Vorsitzender des Presbyteriums. Noch einmal war die Kirche gut gefüllt, als Pfarrerin Valeria Dankwerth, Pfarrer Karl-Heinz Klapetz, Diakonin Sabine Riddermann und Schulze zur Wiesch, unterstützt von zahlreichen Gemeindegliedern, ein letztes Mal zu einem Gottesdienst in das 1957 eingeweihte Gebäude baten.

Aber auch das ist Teil der (traurigen) Wahrheit: Die Lippborger, von denen es laut Statistik über 500 mit evangelischem Glauben  gibt, waren in „ihrer Kirche“ an diesem März-Abend kurz vor Ostern eher in der Minderheit. Das war 1957 und in den Folgejahren noch ganz anders. Damals konnte Pfarrer Wilms, der zuvor evangelische Gottesdienste in der katholischen Pfarrkirche St. Cornelius und Cyprian gefeiert hatte, nach Fertigstellung des Gebäudes stets auf ein proppenvolles Kirchenschiff bauen. Doch von denen, die damals kamen, leben heute nur noch wenige: Else Pahl mit ihren bald hundert Jahren, die lange Zeit mit ihrem Mann Otto den Küsterdienst versehen hatte, gehörte zu denen, die bei der Abschiedsstunde dabei sein wollten. Jüngere Gemeindeglieder suchte man – abgesehen von wenigen Ausnahmen – indes vergeblich.

Valeria Danckwerth, die noch gar nicht so lange in der Kirchengemeinde Niederbörde tätig  ist und daher kaum in Lippborg gewesen ist, hatte sich tief in die Geschichte der kleinen Kirche und ihrer Gemeinde eingelesen. Und sie machte deutlich, dass das Thema Flüchtlinge auch schon vor siebzig Jahren ein wesentliches war. Nach dem Krieg waren Millionen Menschen aus den einstmals deutschen Gebieten im Osten geflohen. Allein in Beckum kamen 75.000 aus Schlesien, Ostpreußen oder Bessarabien an, 1000 von ihnen fanden in Lippborg eine neue Heimat und stockten die Einwohnerzahl von 2000 in kurzer Zeit auf 3000 auf. Mit dem Bau der Friedlandsiedlung in den frühen 70er Jahren kam eine weitere Welle.

Vielen von ihnen waren evangelisch. Sie waren lange Zeit das Fundament für ein recht aktives und solides Gemeindeleben. Aber es soll in diesem Zusammenhang auch nicht verschwiegen werden, dass sich viele schwer taten mit der Zugehörigkeit zur damaligen Gemeinde Dinker (jetzt Niederbörde). Nicht nur die Lippe hatte dabei etwas Trennendes.

Mit dem Verkauf der Kirche (Schulze zur Wiesch: „Wir sind dankbar, mit der Gemeinde Lippetal dieses sensible Projekt in guter, partnerschaftlicher Weise abschließen zu können“) endet natürlich nicht die Geschichte evangelischen Glaubens in Lippborg. Vielmehr ruht die Hoffnung darauf, dass sich die Lippborger auch in Dinker und den anderen Orten der Niederbörde heimisch fühlen und die Gottesdienste dort zahlreich besuchen. Auch die katholische Kirche im Lippborger Dorfzentrum bleibt ebenso eine Option wie das benachbarte Vereinshaus Hagedorn für Gottesdienste. „Wir sind für alle Ideen offen“, sagte Pfarrerin Dankwerth am Rande des Gottesdienstes.

Mit dem symbolischen Auszug der tragbaren sakralen Gegenstände (Taufbecken und Kanzel folgen später) endete das Kapitel der Lippborger Jakobikirche – nach fast genau 67 Jahren. Was mit dem Gebäude genau geschieht, ist noch offen. Aber es ist ein offenes Geheimnis, dass die Gemeinde Lippetal als neue Besitzerin es als Potenzialfläche für eine Erweiterung des benachbarten Feuerwehrhauses gekauft hat. In nicht allzu ferner Zukunft werden somit wohl die Abrissbagger anrücken.

Pfarrerin Valeria Dankwerth hatte sich mit alten Schriften über die Geschichte der Gemeinde vertraut gemacht.

Barbara Kuhn gehört zu denen, die der Kirche über Jahrzehnte die Treue gehalten haben: „Dass sie nun aufgegeben wird, trifft mich sehr.“