Brandopfer stehen vor dem Nichts

Erstellt am 19.01.2024

Evangelische Kirche richtet Spendenkonto für Waltringer Ehepaar ein

Mario und Ann-Sophie Griesel mit ihrer Hündin Kira vor ihrer ausgebrannten Terrasse, von der aus sich das Feuer aus noch unbekannter Ursache ausbreitete. Das Dach ist zurzeit notdürftig geflickt und muss komplett erneuert werden. Fotos: Klaus Bunte

Von Klaus Bunte

Waltringen. Von der Straße aus sieht man nichts. Aber beim Betreten des Hauses sieht man es nicht nur, man riecht es. Es ist nicht der angenehme Duft des Kamins, an dem sie es sich jetzt abends nach der Arbeit gemütlich machen könnten. Der beißende Geruch stammt vielmehr von Dingen, die gebrannt haben, aber nicht hätten brennen sollen. Das Dach, die Außenwand, die Rollläden. Qualm, der sich überall festgesetzt hat, der das Haus unbewohnbar, sein Inventar komplett unbenutzbar gemacht hat.

Es ist wenige Tage nach dem verheerenden Feuer vom Samstag, 2. Dezember, und Mario (33) und Ann-Sophie Griesel (29) sind erst zum zweiten Mal seitdem wieder in ihrem Haus, weil ein Team aus Fachleuten für Brandsanierungen das Gebäude inspiziert. Aus heiterem Himmel hatte ihr Haus im Enser Ortsteil Waltringen in Flammen gestanden, bis in die frühen Morgenstunden kämpften bis zu 90 Feuerwehrleute dagegen an.

Ein Ausbreiten des Brandes auf große Teile des Dachs und der Fassade des Wohnhauses konnte durch die Feuerwehr nicht verhindert werden, sodass ein hoher Sachschaden entstand. Darüber hinaus seien noch am Abend die Ermittlungen am Brandort aufgenommen worden, weil sich Hinweise auf Brandstiftung ergeben hätten, heißt es weiter von Seiten der Polizei. Ein Ermittlungsverfahren gegen Unbekannt sei eingeleitet worden. Bislang hat die Polizei noch keine Ergebnisse mitgeteilt.

Mindestens ein Jahr wird es nach erster Einschätzung der Brandsanierer dauern, bis sie wieder einziehen können, habten die Fachleute dem Ehepaar Griesel gesagt. Dabei ist es gerade einmal drei Jahre her, dass sie es nach dem Tod des Vorbesitzers übernommen haben. Hier wollten sie  eine Familie gründen. Daraus wird vermutlich erst einmal nichts. Denn nicht einmal das, was sie am Leibe tragen, ist ihres, es sind Kleiderspenden. Das Feuer, der Rauch, das Löschwasser, all das hat das Haus samt seines Inventars ruiniert.

Beim Anblick der ausgebrannten Terrasse, von der sich an diesem unseligen Dezemberabend aus noch unbekannte Gründen ein Feuer ausbreitete, und des Chaos in den Wohnräumen und mit dem Geruch in der Nase werden die traumatischen Momente wieder so wach, dass Ann-Sophie Griesel die Tränen nicht zurückhalten kann, sie vor Weinen am ganzen Körper zittert. „Ich habe direkt wieder diese Feuerwalze vor Augen“, meint sie. Die Bilder, wie vor ihren Augen die Rollläden schmolzen „wie Marshmallows“. Bilder, die sie nachts verfolgen und ihr den Schlaf rauben, „ich sehe dann immer nur diese Bilder und wie Mario dasteht und versucht, zu löschen und ich ihn da nicht wegkriege“.

Es sollte ein lustiger Abend mit Freunden werden, sie waren sechs Erwachsene und vier Kinder. „Wir waren oben am Kickern, als der Fehlerstrom-Schutzschalter rausflog“, erzählt Mario. „Dabei haben wir uns nicht viel gedacht, denn es ist Weihnachtszeit, die Deko ist einschaltet, der Glühwein steht auf dem Herd. Als ich sie im Keller wieder reindrücken wollte, flog sie sofort wieder raus. Oben bemerkten die anderen den Rauch. Dann sagte jemand: Die Rollläden der Terrassentür schmelzen. Hier brennt’s.“

Er holte den Feuerlöscher, versuchte zu löschen, „aber die gesamte Wand der Terrasse stand in voller Breite, vier bis fünf Meter, in Flammen“, erzählt Mario Griesel. Seine Frau ergänzt: „Wir standen drinnen, sahen die Löcher in den Rollläden immer größer werden, und dahinter nichts als Feuer.“ In ihrer Not habe sie noch versucht, einen großen Kochtopf mit Wasser zu füllen, aber der war ein buchstäblicher Tropfen auf den heißen Stein. „Und dann musste ich versuchen, meinen Mann da wegzuzerren, da stand ja noch der Grill mit den Gasflaschen, die jeden Moment explodieren konnten. Diese Verzweiflung, zu sehen, wie da Deine gesamte Existenz niederbrennt und Du versuchen musst, Deinen geliebten Mann da wegzukriegen. Gott sei Dank sind alle da rausgekommen. Wir standen in Hausschuhen und T-Shirt draußen auf der Straße und sahen einfach alles abbrennen.“

Mario Griesel wurde mit Verdacht auf eine Rauchvergiftung im Krankenhaus untersucht, doch mehr als ein paar Reizungen der Atemwege seien es wohl nicht, seine Verbrennungen sind nur ersten Grades. Das Weite suchte zunächst ihre Australian-Shepherd-Hündin Kira. Zum Glück ist sie sehr zutraulich, lief direkt einem Feuerwehrmann in die Arme. Doch bis das Paar das fünf Jahre junge Tier wieder in den Armen halten konnte, musste es um es bangen. Auch ihren Wellensittich konnten sie rechtzeitig in Sicherheit bringen.

Nachdem sie zunächst bei Freunden im Dorf untergebracht sind, die am Abend des Feuers mit im Haus waren, finden die Krankenschwester und der Industriemechaniker schnell eine teilmöblierte Wohnung in Waltringen, sogar mietfrei, sie müssen nur die Nebenkosten zahlen. Immerhin – denn sie sind weiterhin krankgeschrieben aufgrund der psychischen Belastung. Das Paar ist zwar gegen Feuer versichert, aber erst einmal muss ja die Ursache geklärt sein.

Das einzig Positive, was sie ihrer Lage abringen können, ist die Welle an Hilfebereitschaft und Trost: „Wir sind so unendlich dankbar für jedes liebe, Trost spendende Wort, für alle Hilfsangebote, für alle Kleidung oder Geldspenden, die uns mit so viel Wohlwollen und Mitgefühl entgegengebracht wurden. Wir haben jetzt auch eine gute Grundausstattung an Kleidungsstücken. Der Bürgermeister war persönlich bei uns und hat gefragt, ob er irgendwie helfen kann. Unsere unendliche Dankbarkeit gilt ebenso denen, die uns bei sich zu Hause aufgenommen haben und allen, die uns dieses angeboten haben. Allen Einsatzkräften, die bis in die frühen Morgenstunden im Einsatz waren,  um unser Zuhause zu retten, denen, die unseren Hund gesucht haben und denen, die ihn in Obhut genommen haben, bis wir aus dem Krankenhaus zurück waren. Denen, die alle Einsatzkräfte mit Getränken und Speisen versorgt haben. Wir hoffen, dass dabei niemand körperlich und seelisch zu Schaden gekommen ist. Unserer Familie und Freunde, die für uns da sind und Kraft geben. Wir sind überwältigt von dem Mitgefühl und Rückhalt und Zusammenhalt, den wir hier in unserem Dorf spüren dürfen. Das ist etwas ganz Besonderes, liebe Waltringer, da dürfen wir alle sehr glücklich und auch stolz drüber sein. Uns gibt das viel Kraft.“

So groß sei die Hilfsbereitschaft gewesen, so häufig die Frage gefallen, wie man spenden könne, dass dies dem Paar über den Kopf wuchs. Als daher Pfarrer Dr. Christian Klein aus Ann-Sophie Griesels alter Heimat Wickede, wo sie lange in der Diakonie engagiert war, sie fragte, inwieweit er helfen könne, fragte sie ihn, ob er nicht ein Spendenkonto einrichten könne, was dieser umgehend tat.  Ann-Sophie Griesel: „Jeder Cent wird uns helfen, wieder ein wenig Normalität in unser Leben zu bekommen.“

Allein in den ersten vier Tagen kamen auf dem Konto über 12.000 Euro zusammen – mit Stand Mitte Januar sind es sogar über 26.415 Euro.

Ein Blick durch die Haustür: Bewohnbar ist dieses Haus laut Gutachtern für mindestens ein bis eineinhalb Jahre nicht.

Spendenkonto

Empfänger: Evangelischer Kirchenkreis Soest-Arnsberg, KD-Bank für Kirche und Diakonie, IBAN DE06 3506 0190 0005 0050 00, BIC GENODED1DKD, Spendenzweck „21114 - 210000 - Familie Griesel“. Bei dem Zahlencode handelt es sich um eine Mandantennummer“. Die Evangelische Kirchengemeinde Wickede stellt auf Wunsch auch Spendenquittungen aus.