Soest zeigt sein buntes Gesicht

Erstellt am 23.01.2024

3500 Bürgerinnen und Bürger demonstrieren auf Petrikirchplatz gegen Rechts

Dicht gedrängt standen die Menschen vor dem Rathaus und auf dem Petrikirchplatz. 3500 nahmen nach Polizeiangaben an der Demo gegen Rechts teil – die größte Demonstration in der Geschichte von Soest.

Von Hans-Albert Limbrock

Soest. Eine Stadt steht auf und bietet dem rechten Gedankengut, das sich in vielfältiger Form in diesem Land äußert, entschlossen die Stirn: 3500 Bürgerinnen und Bürger - jung und alt -, aus Soest und Umgebung, demonstrierten jetzt auf dem Petrikirchplatz und machten dabei ihrem Unmut Luft über die unsägliche Remigrationsdebatte, die von Teilen der AFD mitgetragen  und befeuert wird.

Initiiert worden war die beeindruckende Demo von der SPD, die binnen weniger Tage weite Teile der Zivilgesellschaft erreicht und mobilisiert hat. Im Vorfeld hatte die CDU zwar noch geäußert, nicht an der Demo teilzunehmen, am Veranstaltungstag dann aber nach heftiger öffentlicher Kritik die Kehrtwende. Nicht nur das: Mit Bürgermeister Dr. Eckhard Ruthemeyer und der Stadtverbandsvorsitzenden Helena Brüggemann schickten die Christdemokraten auch ihre beiden prominentesten Vertreter auf das Podium.

„Soest ist menschenfreundlich“, begrüßte Marcus Schiffer, Vorsitzender der Soester SPD und Mitglied des Rates, die Menschen an diesem kalten Januarabend, und er machte zum Glockengeläut der Petrikirche und des Patrokli-Domes deutlich, dass diese Demo keine Parteiveranstaltung sei: „Heute haben sich Bürger zusammengefunden, die Flagge zeigen – unabhängig jeglicher Parteizugehörigkeit. Die wahre Zivilgesellschaft zeigt heute ihr wahres Gesicht; wir sind weltoffen, zukunftsbejahend und vor allem am Dialog interessiert.“ Ideologien aller Art, so Schiffer, hätten kein Zuhause in Soest: „Die einzige Ideologie, die wir gelten lassen, ist die Freundschaft, die Menschlichkeit und den Dialog mit allen Menschen.“

Unter dem Jubel der Demonstrierenden entschuldigte sich Marcus Schiffer dafür, „dass wir zu lange weggesehen haben.“ Und er entschuldigte sich auch dafür, dass man hohle Phrasen zu oft als politische Statements verkauft habe, ohne die Bürgerinnen und Bürger mitgenommen zu haben. Es gelte, Farbe zu bekennen gegen jede Form von Fremdenfeindlichkeit und Demokratieschädigung und widerwärtige Hetzkampagnen.

Bürgermeister Dr. Eckhard Ruthemeyer wertete den Protest „als ein dickes Statement für Demokratie, für den Rechtsstaat, die Menschenwürde und die Prinzipien des Grundgesetzes.“ Die gewaltige Anzahl von Menschen sei der Beweis, dass nun alle aufgewacht sind: „Wir in Soest sind eine bunte Stadtgesellschaft. Soest ist seit mehr als 1400 Jahren ein Ort der unterschiedlichen Menschen, mit unterschiedlichen Religionen, aus unterschiedlichen Nationen und mit verschiedenen Lebenseinstellungen Heimat ist. Wir alle sind Soester.“

Der Platz vor der Kirche reichte längst nicht aus, um alle Demonstranten aufzunehmen, der Raum vor dem Rathaus war ebenso gerappelt voll wie die Rathausstraße und die Seitengassen. Superintendent Dr. Manuel Schilling, der auch Grußworte von Propst Dietmar Röttger überbrachte, verdeutlichte plakativ mit einer Geschichte über seinen syrischstämmigen Olivenhändler und den Pfleger, der in Ägypten geboren ist und sich um seine betagte Tante kümmert, was die Forderung nach Remigration von ausländischen Mitbürgern in der Praxis bedeutet: „Wir wissen es doch alle, ohne unsere ausländischen Mitbürgerinnen und Mitbürger wird unsere Wirtschaft zusammenbrechen. Es ist ein Irrsinn, zu denken, wir sollten sie alle wegschicken.“

Mit Tränen in den Augen sprach Dr. Reza Hussein, Vorsitzender des Integrationsrates in Soest, der seit vierzig Jahren in Deutschland lebt. Das Treffen in Potsdam, bei dem Rechte gemeinsam mit der AFD über die Ausweisung von ausländischen Mitbürgern und Menschen mit Migrations-Hintergrund eine Art Masterplan zu Remigration debattiert haben, mache ihm Angst: „Da waren Profis am Werk, das waren keine Amateure. Wenn wir die Lage jetzt nicht ernst nehmen, wann dann?“ Hussein erinnerte daran, wie in Nazideutschland der Hass gegen Fremde und Andersdenkende begonnen habe: „Wir alle müssen diesen Wahnsinn stoppen. Bitte positioniert Euch ganz klar gegen Rechts. Bittet seht die Zuwanderung auch als eine Chance für unser Land; heute sind sie noch fremd im Land, aber in Zukunft werden sie unsere Steuer- und Rentenzahler.“ Mit einem eindringlichen Appell schloss Dr. Hussein seine bewegende Ansprache: „Nie wieder ist Jetzt!“

Gemeinsam gegen Rechts (von links): Bürgermeister Dr. Eckhard Ruthemeyer, Marcus Schiffer, Superintendent Dr. Manuel Schilling, Dr. Reza Hussein und Helena Brüggemann. Fotos: Hans-Albert Limbrock

Superintendent Dr. Manuel Schilling: Es ist ein Irrsinn, alle Migranten wegschicken zu wollen.

Bürgermeister Dr. Eckhard Ruthemeyer: Soest ist eine bunte Stadtgesellschaft.

Mit Plakaten und Transparenten machten die Demonstranten deutlich, was sie von den Gedankenspielen der AFD halten.