Den Blick himmelwärts gerichtet: Mit ihrem intensiven Spiel nehmen die jungen Darstellerinnen und Darsteller die Besucherinnen und Besucher mit auf die Reise zu „Maria – eine wie keine“. Fotos: Marcus Bottin
Von Hans-Albert Limbrock
Soest. So ein Apostel hat es auch nicht immer leicht. Eigentlich wird Jakobus bei den Schauspielproben gebraucht. Aber gleichzeitig soll er auch noch den Pizzateig fertigmachen, denn Proben machen hungrig. Also knetet Merle, die im Oratorium „Maria – eine wie keine“ den Jakobus spielt, den Pizzateig und rührt die Soße an. Währenddessen probt Regisseur Henner Kallmeyer ein Stockwerk tiefer in der Jugendkirche Soest eine Szene mit den Evangelisten und stellt erst einmal klar: „Das ist nicht kitschig. Das hat Seele. Ganz viel Seele, weil die Musik von einem russischen Komponisten geschrieben wurde. Also: kein Kitsch, sondern Seele.“
Komponist Dmitri Grigoriev ist in St. Petersburg geboren, hat dort studiert, lebt aber inzwischen seit vielen Jahren in Deutschland und ist Kreiskantor in Lüdenscheid. Vor vier Jahren hat er mit den Arbeiten zur Komposition begonnen. „Die Idee, über Maria ein Oratorium zu schreiben, ist ungewöhnlich. Denn das gibt es meines Wissens bis jetzt noch nicht“, erklärt er, was ihn an dieser Aufgabe gereizt hat.
Von Beginn an waren sich er sowie der Librettist und Ideengeber der Inszenierung, Superintendent Dr. Manuel Schilling, darin einig, dass die Musik ein möglichst großes Genre-Mix abbilden und damit auch kirchenferne Besucherinnen und Besucher ansprechen soll: von Rap, über Klassik bis hin zu Gregorianik ist deshalb alles dabei. Grigoriev: „In unserem Oratorium kommen die verschiedenen Stränge der kulturellen Wirkungsgeschichte der Marienverehrung zusammen. Theater und Film verbinden sich mit der Musik. Besonders eng verschränken sich darstellende Kunst und Musik in den Videosequenzen.“
Für die angesprochenen Videosequenzen zeichnet Johann Schilling verantwortlich. Der 25-Jährige studiert in Ludwigsburg an der Filmakademie Baden-Württemberg Dokumentarfilm und Regie. Er schafft mit seinen Filmeinspielungen, die er bereits im vergangenen Herbst mit Schülerinnen und Schülern gedreht hat, die Klammer zwischen der Erzählung und der Gegenwart. Der junge Filmemacher weiß: „Menschen wollen Geschichten. Denn Geschichten erklären Unerklärliches. In Geschichten lässt sich etwas erleben, was man sonst nicht erleben kann. Man stirbt, ohne sterben zu müssen. Und man überlebt, ohne in Gefahr gewesen zu sein.“
Aber was genau ist eigentlich dieses Oratorium, das vom 18. Mai bis 1. Juni an acht verschiedenen Spielorten (siehe dazu Infokasten) zwischen Lüdenscheid und Minden aufgeführt wird? Zunächst einmal ist es ein kirchenkulturelles Ereignis, das es so noch nicht gegeben hat. Es ist gleichzeitig ein Oratorium mit ganz viel Musik, ergänzt um Schauspiel und Film. Und zusätzlich auch eine Pilgerreise, denn die jugendlichen Schauspielerinnen und Schauspieler wandern nahezu die komplette Strecke in verschiedenen Etappen von Lüdenscheid bis nach Minden – immerhin satte 180 Kilometer. Begleitet werden sie dabei von lokaler Prominenz aus Gesellschaft, Politik und Kirche.
Die Idee zu „Maria – eine wie keine“ hatte Dr. Manuel Schilling. Und warum gerade Maria? „Weil keiner mit ihr rechnet. Hand aufs Herz – wer findet Maria, die Mutter Jesu von Nazareth spannend und hält sie für ein wichtiges Thema, religiös, künstlerisch, gesellschaftlich?“ Das hat ihn gereizt und deshalb hat er sich die Frage gestellt: „Was wäre, wenn Maria nicht als junge hübsche Frau zu Wort kommt, sondern als alte Frau, lebenserfahren, sturmerprobt und auch ein wenig kratzbürstig?“ Daraus ist das Libretto für das Stück entstanden.
Alle sechs Kirchenkreise, durch die die Pilgerroute führt – Lüdenscheid-Plettenberg, Soest-Arnsberg, Gütersloh, Vlotho, Herford und Minden – sind mit im Boot und unterstützen die Realisierung nachhaltig. Dr. Schilling: „Ohne diese Unterstützung, aber auch durch die zahlreicher Sponsoren und Förderer, die sich von unserer Idee haben begeistern lassen, wäre solch ein Projekt nicht realisierbar. Dafür sind wir alle sehr dankbar und fiebern jetzt den Tagen der Aufführungen entgegen.“
Das tut auch Henner Kallmeyer, der über reichlich Erfahrung mit Schultheatern verfügt. Deshalb kann er auch gut mit der Tatsache leben, dass die Apostel, die einige der Hauptrollen spielen, bis auf eine Ausnahme durchgängig mit Schülerinnen besetzt sind: „Das ist mir nicht neu; die meisten, die Jugendtheater spielen, sind Mädchen. Ich habe keine Ahnung, woran das liegt. Dabei tut Theaterspielen allen gut!“
Wie gut – davon können sich die Besucherinnen und Besucher in den letzten zwei Maiwochen und Anfang Juni überzeugen.
Die Termine für „Maria – eine wie keine“: Lüdenscheid Erlöserkirche (2 x Großes Konzert), Samstag, 18. Mai, 14.30 und 18.30 Uhr. Arnsberg Liebfrauenkirche (Werkstattkonzert), Dienstag, 21. Mai, 19 Uhr. Soest St. Maria zur Wiese (Werkstattkonzert), Mittwoch, 22. Mai, 19 Uhr. Lippstadt Große Marienkirche (Großes Konzert), Freitag, 24. Mai, 20 Uhr. Wiedenbrück Marienkirche St. Ursula (Werkstattkonzert), Sonntag, 26. Mai, 18.30 Uhr. Brackwede Bartholomäus-Kirche (Werkstattkonzert) 28. Mai, 18 Uhr. Herford Marienkirche Stiftberg (Werkstattkonzert), Mittwoch, 29. Mai, 19 Uhr. Minden St. Marien-Kirche (Großes Konzert), 1. Juni , 18 Uhr.
Bis auf eine Ausnahme sind alle Rollen mit Schülerinnen besetzt.
Henner Kallmeyer hat schon viele Theaterstücke mit Schulen inszeniert, unter anderem „Die Kinder der toten Stadt“.
Superintendent Dr. Manuel Schilling hatte die Idee zum Maria-Oratorium und hat das Libretto geschrieben.