Bewegender Abend mit Rut

Erstellt am 17.05.2024

Anlässlich des Erinnerungsjahres gastierte das Theater Warkentin in Neu St. Thomä

Die Neu St. Thomäkirche bot die passende Kulisse für „Rut – die Freundin der Lieblichen“.

Soest. Ein Wiedersehen mit dem Schauspielerpaar Warkentin gab es für den Kultur- und Geschichtsverein der Deutschen aus Russland „KulturA-Z“ e. V. nach langen zehn  Jahren. Anfang der 2000der gastierte das Duo sogar drei Mal in Soest: zunächst mit einem historischen Theaterstück „Der weite Weg zurück“, das von der Auswanderung der Deutschen nach Russland im 18. Jahrhundert, über ihr Leben in den deutschen Kolonien im Russischen Reich, über ihr Schicksal in der Sowjetunion und über ihre Rückkehr in die historische Heimat handelte. Später brachten Warkentins das Theaterstück „Mix-Markt mal anders“ mit – sozusagen, eine Weitererzählung der ersten Geschichte, denn darin widmeten sie sich auf einer ironisch-kabarettistischen Weise der Integration der Spätaussiedler in Deutschland.

Nun kam etwas ganz Neues: In der Kulturkirche Neu St. Thomä spielte Maria Warkentin unter der Regie von ihrem Ehemann Peter ein Monotheaterstück von Christoph Nix „Rut – die Freundin der Lieblichen“.

Gemeinsame Bemühung von KulturA-Z und dem Evangelischen Kirchenkreis ermöglichte den Zuschauern einen Einblick in das Leben einer starken Frau: eine Stunde lang zeigte Maria Warkentin ausdrucksstark das bewegende Schicksal von Rut aus dem Alten Testament - mit Minimum an Requisiten, fast ganz ohne Bühnenbild, war doch die Kirche als natürliche und ohne Zweifel die schönste Kulisse ausgesucht worden.

Eine große Verwandlungskunst brachte Maria Warkentin auf die improvisierte Bühne rund um den Altar: mal als Naomi, die alte Schwiegermutter von Rut, mal als Orpa – die Schwägerin, aber die meiste Zeit als Rut – eine junge Frau mit Zuversicht, Ausdauer und Treue. Nicht der Tod ihres Mannes, nicht der lange Marsch durch die Wüste, nicht die Ungewissheit in einem fremden Land – nichts davon lässt sie von der Seite ihrer Schwiegermutter weichen.

Sie scheut keine Arbeit, bleibt bescheiden und fleißig, kümmert sich um Naomi, die sie wie ihre eigene Mutter behandelt. Ihre Fluchterfahrung bricht sie nicht, sondern macht sie stark und hoffnungsvoll. Und dann kommt auch die Liebe und das Happyend, denn das Glück bedeutet nicht das Beste von Allem zu haben, sondern das Beste aus Allem zu machen.

Maria Warkentin verarbeitet in diesem Theaterstück auch einen Teil ihrer eigenen Erfahrung: als Russlanddeutsche kamen Peter, sie und ihre beiden Kinder aus Almaty, Kasachstan, nach Niederstetten bei Würzburg.

Wie für viele andere ihrer Landsleute erschien auch für sie die Perspektive, ihren gelernten Beruf auszuüben ziemlich schlecht. Sie und Ehemann Peter arbeiten seitdem auch in anderen Berufen, aber ihr eigentliches Handwerk, das sie vor vielen Jahren an der Moskauer Tschepkin-Theaterhochschule studiert und seit den 70gern bis zu ihrer Auswanderung Anfang 90ger eben am Deutschen Staatstheater Almaty gelebt hatten, führen sie trotzdem weiter fort.

Das Russlanddeutsche Theater Niederstetten eröffnete seine Türen 1996, bringt seitdem moderne und klassische Stücke auf die Bühne und absolviert viele Gastspiele in ganz Deutschland und auch in den anliegenden Ländern. Mehrere Auszeichnungen hat das Ehepaar Warkentin für ihre hohe Kunst erhalten – sowohl in ihrem „alten“ Leben in der Sowjetunion als auch hier in Deutschland.

Eine Wanderausstellung „Deutsche aus Russland: Geschichte und Gegenwart“ unter der Leitung vom Historiker Dr. Eugen Eichelberg von der Landsmannschaft der Deutschen aus Russland umrahmte den Abend und ganz besonders schön war es, dass die Ausstellung des ukrainischen Künstlers Maksym Kulikov ebenfalls in der St. Thomäkirche gastiert. Denn das Thema Frieden, Versöhnung und Verständigung ist und bleibt ein sehr wichtiger Punkt in der Tätigkeit des KulturA-Z.

Ein Wiedersehen mit den Warkentins wird es im 2024 noch ein weiteres Mal geben: das Duo kommt mit einem Theaterstück „Die Kist´ von der Wolga“ zu den Festivitäten zum 1400. Jubiläum der Stadt Soest am 24. August und berichtet darin über das Leben in der Wolgadeutschen Autonomie. Man darf sich darauf freuen: denn das Weinen und das Lachen sind wieder garantiert.

Superintendent Dr. Manuel Schilling sprach die Eröffnungsworte zum anschließenden Theaterabend. Fotos: Hans-Albert Limbrock

Maria Warkentin spielte in dem Ein-Frau-Stück alle Rollen und überzeugte durch ihr ausdrucksstarkes Spiel.

Der Verein KulturA-Z mit seiner Pressesprecherin Antonia Domke hat das Erinnerungsjahr „100 Jahre Wolgadeutsche Republik“ organisiert.