Freie Sicht für das Jesuskind / Das Tympanon über dem Portal der Hohnekirche wurde behutsam gesäubert

Erstellt am 28.10.2019

Von Klaus Bunte

SOEST. Ganz früher, da war das Tympanon offenbar sogar farbig. Heute, da hat es den gleichen Ton wie die übrige Hülle der Hohnekirche, die typische Farbe der aus Grünsandstein erbauten Stadt. Doch einst hatte die um das Jahr 1200 erbaute Hallenkirche eben ein buntes Bogenfeld. Davon zeugen letzte Reste der Farben, die 800 Jahre Witterung überstanden.

Sie sind ein Grund, warum die Steinmetze, die normalerweise die Spuren, die Wind und Wetter an dem porösen Stein hinterließen, beseitigen, nicht auch hier aktiv werden. Bei so filigranen Halbreliefs müssen andere Spezialisten ran.

Und Inge Otto ist so jemand: Als Diplom-Restauratorin arbeitet sie für die Paderborner Fachwerkstatt für Bau- und Kunstdenkmalpflege „Ars Colendi“. Zu deutsch: die Kunst zu pflegen.

Otto verbringt eineinhalb Wochen halbtags auf einem Gerüst vor dem Portal. Mit Pinselchen und destilliertem Wasser reinigt sie die Reliefs und bessert mit grünem Mörtel an den Bögen nach, damit sie nicht weiter verwittern.

Das Relief selber liegt zum Glück so tief im Mauerwerk, dass es deutlich weniger angegriffen wurde. Zum Abschluss dokumentiert sie die restlichen Farbpigmente auf einem großen Ausdruck eines Fotos des Tympanons.

„Zuletzt konnten wir fünf Kirchenführer auf einige Dinge nur verweisen, sie aber optisch nicht mehr nachweisen“, erzählt Dr. Horst Köhler, zugleich Schriftführer im Verein zum Erhalt der Hohnekirche. Wie beim Jesuskind: „Es wendet sein Gesicht der Mutter zu. Dies ist eine Darstellung, wie man sie erst ab Ende des 12. Jahrhunderts findet. Zuvor waren Mutter und Kind einander immer relativ fremd – weil im Johannes-Evangelium geschrieben steht, dass Jesus zu Maria sagt: Weib, was hab ich mit

dir zu schaffen.“

Diese Passage wurde einst abfällig gewertet, wird heute aber anders interpretiert und auf patriacharlisch geprägte Übersetzungen und Auslegungen zurückgeführt. Köhler: „Dieses fremde Verhältnis ist hier bereits aufgehoben, und das ist jetzt wieder etwas besser zu erkennen.“

Ebenso im Falle des rechts im Bild dargestellten mittelalterlichen Brauchs, dass man seinem Herrscher, in diesem Falle dem wieder auferstandenen Jesus, nur mit behandschuhten Händen ein Geschenk machen durfte: Auch das sei nun ansatzweise wieder erkennbar.

In einigen Tagen wird die Denkmalpflege überprüfen, ob noch mehr gemacht werden muss. So lange bleibt das Gerüst noch vor dem Portal stehen und versperrt vorübergehend die Sicht auf das Tympanon. „Möglicherweise müssen die Kapitelle auch noch auf diese Weise gereinigt werden“, meint Otto und verweist auf dunkle Verkrustungen auf den Säulenknäufen knapp unterhalb des Tympanons.

„Wenn man sie farblich etwas fassen würde in der Farbgebung des ursprünglichen Steins, dann würde das ganze etwas ruhiger und man könnte die Darstellung wieder besser erkennen statt nur ein fleckiges Gewimmel zu sehen.“

Und man muss schon genau hinsehen, um zu bemerken, dass dort florale und figürliche Motive zu sehen sind: keine christlichen Motive, sondern Gestalten aus der griechischen Mythologie, die Personifikationen des Meeres („Okeanus“) und der Erde („Gäa“) und sie begleitende Wasser- und Landtiere.

Beim Thema Kapitelle hakt Köhler direkt ein: „Was mir noch vorschwebt, wäre, sofern technisch möglich, Abdrücke von ihnen zu nehmen und diese als Buchstützen zu verkaufen.“ Denn der Erhalt der Kirche kostet ordentlich Geld, und neben der Spendenbereitschaft ist der Verein da auch auf die eigene Kreativität angewiesen.

Otto ist in dieser Beziehung zuversichtlich: „Die Kapitelle sind recht stabil, und wenn man sehr vorsichtig vorgeht, sollte es möglich sein, Abdrücke zu nehmen.“ Mehr Infos unter www.foerdervereinhohnekirche.de.

Inge Otto, Diplom-Restauratorin, am Tympanon der Hohnekirche. Fotos: Klaus Bunte

Das Tympanon hat im Laufe der Jahrhunderte unter dem Einfluss der Witterung arg gelitten.