Ruthemeyer bittet um Unterstützung

Erstellt am 01.04.2022

Bürgermeister Dr. Eckhard Ruthemeyer und Superintendent Dr. Manuel Schilling suchen gemeinsam nach Wegen, um die Flüchtlingskrise zu meistern. Archivbild Hans-Albert Limbrock

Von Julie Riede

Soest. Es sind bereits Millionen von Menschen, die seit Beginn vor dem Krieg in der Ukraine ins Ausland geflohen sind. In der Stadt Soest sind inzwischen über 400 Menschen gemeldet, die hier die erste Station zum Ankommen gefunden haben. Wie viele weitere bei Verwandten, Freunden und Bekannten untergekommen sind, ist schlecht schätzbar. „Sicherlich 100“, davon geht Bürgermeister Dr. Eckhardt Ruthemeyer aus.

Er nahm in einem Gespräch mit Vertretern der beiden christlichen Kirchen in der Stadt Bezug auf die Rede von Bundeskanzler Olaf Scholz vor dem Bundestag, der von einer „Zeitenwende“ sprach. Bis Mitte März 2022 waren laut Schätzungen des UN-Flüchtlingskommissariats (UNHCR) rund 3,9 Millionen Menschen aus der Ukraine in Folge des Krieges und aufgrund der Angriffe des russischen Militärs im Lande geflohen. Davon sollen mehr als 200.000 bereits hier in Deutschland sein.

Bürgermeister Dr. Eckhardt Ruthemeyer: „Wir müssen uns kurz- und mittelfristig darauf einstellen, dass große Dimensionen an Flüchtlingen auf uns zu kommen können. Unsere globalisierte Welt muss sich neu sortieren und wurde unweigerlich zu einem Teil des Krieges. Alles ist durch den Krieg in Frage gestellt.“ Deutschland und seine Bevölkerung seien persönlich und industriell betroffen.

Über 400 Menschen registriert

Etwa 400 Personen sind aktuell in Soest registriert, geschätzt werden mindestens 100 Personen mehr ohne Registrierung. Über 400 Adressen haben sich allerdings auch sofort gemeldet, um den Flüchtlingen Unterkunft zu bieten. Wie viele wirklich für eine dauerhafte Unterbringung in Frage kommen, müsse geprüft werden.

Die große Frage lautet: Wie kann das koordiniert werden, und wie können Räumlichkeiten langfristig geschaffen werden?

Aktuell sind nur noch wenige Betten in der Zentralen Unterbringungs-Einrichtung (ZUE) frei. Die ZUE soll keine dauerhafte Wohnstätte sein. Sie soll vielmehr als erste Einrichtung für die ersten 2 bis 4 Wochen fungieren. Von hier aus sollen die Ukrainischen Flüchtlinge dann eine langfristige Unterbringung erhalten und sich registrieren können. Zusätzlich zu der Unterkunft stellt sich aber auch die zentrale Frage nach Kindergarten- und Schulplätzen.

In den letzten Wochen wurde aus Sicht Ruthemeyers viel erreicht. In der Landeseinrichtung werden bis Mitte April 2300 Plätze geschaffen, inkl. Zelten. In NRW läuft das Verteilsystem nach dem sogenannten „Königsteiner Schlüssel“. Bei 1 Millionen Flüchtlingen in Deutschland würden danach etwa 600 auf Soest zu kommen. Diese Zahl sei bereits jetzt schon so gut wie erreicht. Man müsse abwarten, und schauen, wie sich die Situation weiter entwickle. „Gemeinsam müssen wir zusammen stehen und die Situation meistern“, so Ruthemeyer.

Neues Leben mit Perspektive

Bezüglich Schulen und Kinderbetreuung gebe es nicht allein ein Platzproblem, sondern auch die Frage des personellen Mehraufwands müsse geklärt werden. 

Die bisherige Idee: Alle Kinder und Jugendlichen sollen möglichst da untergebracht werden, was bisher verfügbar ist. Auffangklassen seien wünschenswert und sinnvoll, jedoch seien Lehrer und Räumliche Kapazitäten aktuell kaum verfügbar. „Wir brauchen Lockerungen der aktuellen Rahmenbedingungen und Standards", so Ruthemeyer. Zum Beispiel eine Befreiung von Gruppengrößen, dies müsse in Absprache von Trägern und Jugendamt geschehen.

Ein Rechtsanspruch der registrierten Flüchtlinge ist klar vorhanden: Schule, Kindergärten, Sprachkurse, all das müsse gewährleistet werden. Flüchtlinge in der ZUE hätten allerdings erstmal keinen Rechtsanspruch. Es gebe aber bereits eine Zusammenarbeit mit der Gesamtschule für Sprachkurse und auch eine Kinderbetreuung. Für den 11. April ist ein runder Tisch mit der Bürgerstiftung Hellweg-Region zum Thema Ehrenamt geplant, um hier die dringend benötigte Hilfe zu finden. Mitte April wird es auch ein Gespräch der Stadt Soest mit den sozialen Organisationen geben. VHS und Kolping bieten bereits Sprachkurse an.

Die Stadt Soest will für den absoluten Ernstfall gewappnet sein. Sie fragt daher nach, ob Kirchen ihre Türen für die Unterbringung von großen Zahlen an Flüchtlingen zur Verfügung stellen könnten. Das Problem der Stadt ist klar: Es herrscht Wohnungsmangel, für Einzelpersonen sei es noch einfacher, Unterkunft zu finden, als für Großfamilien. Es bestehe dennoch die Hoffnung, dass eine strukturierte Verteilung möglich sei.

Die Zahlen der Plätze in Privathaushalten, die sich in Soest gemeldet haben, sind vage. Vielen werde nach einiger Zeit erst bewusst, dass es ein ganz anderes Leben ist, die eigene Wohnung mit fremden Menschen zu teilen. Dafür müsse man Verständnis haben. Der Wille der Soester Bevölkerung ist groß, solidarisch und hilfsbereit zu sein. Die Situation müsse aber den Helfer*innen auch zumutbar sein. Man wolle die Bevölkerung nicht überfordern, so der Bürgermeister.

Kirchen bieten Hilfe an

Der Evangelische Kirchenkreis Soest-Arnsberg hat schnell gehandelt: Die Petri-Pauli-Gemeinde hat bereits das Ardeyhaus für die Verpflegung von in der Nähe untergebrachten Flüchtlingen zur Verfügung gestellt. Auch als Unterkunft kommt es grundsätzlich infrage.

Die Gemeindehäuser der Kirchen sind mögliche Orte für Sprachkurse und Kinderbetreuung.

Die Stadt Soest möchte in Kooperation mit den Gemeinden agieren. Evangelische und Katholische Kirche wollen eng zusammenarbeiten, sodass Häuser etagenweise oder möglicherweise ganz frei gemacht werden können. Die Katholische Kirche verzeichnet vier Gemeindehäuser, die prinzipiell nutzbar wären.

Superintendent Schilling hat sich an seine Gemeinden gewendet, um Unterstützung anzufragen. Verschiedene Gemeinden haben neben Petri-Pauli bereits Hilfe signalisiert. Das Problem sei oft die sanitäre Situation. Doch hier könnten zur Not Toiletten- und Duschcontainer angemietet werden.

Eine weitere Idee: Die Jugendzentren könnten als Mutter-Kind-Cafés genutzt werden, ehrenamtliche Kräfte wären eine wertvolle Stütze für Fahrdienste, Arztbesuche und ähnliche Begleitung.

Friedensgebete und Konzerte sollen Brücken bilden zu der russisch- und ukrainisch-sprachigen Bevölkerung. Es werde nach Möglichkeit eine Anpassung der Gottesdienste mit möglicher Übersetzung geben, so Superintendent Dr. Manuel Schilling.