Vom Staub befreit

Erstellt am 14.02.2020

Von Hans-Albert Limbrock

SCHWEFE. Friedrich Tzschöckel hört sowas: „Der Ton kommt zu schnell, der kommt direkt von oben.“ Wieder und wieder lauscht der Orgelbaumeister, während Orgelbauer Jörg Kruse die Feinjustierung übernimmt. Dann endlich ist Tzschöckel zufrieden: „Jetzt passt es.“ Über zwei Wochen waren der Experte aus dem baden-württembergischen  Althütte-Fautspach und sein Team in der Schwefer St. Severinskirche, um die Orgel komplett zu überholen.

Und das war bitternötig, denn mit den Jahren hatten sich Schmutz und Staub in den 1007 Pfeifen abgelagert, die auch das Klangbild negativ beeinflussen. Für das Gros der normalsterblichen Kirchenbesucher ist das nicht oder nur kaum hörbar. Ein Meister seines Fachs, wie Friedrich Tzschöckel unzweifelhaft einer ist, muss dafür nicht  einmal die geschulten Ohren sonderlich spitzen, um Unregelmäßigkeiten auszumachen. Er hört gleich, wo er und seine Kollegen Tobias Auer, Jörg Kruse sowie Schreiner-Gesellin Simone Gerstle Hand anlegen müssen.

Und das ist wörtlich zu nehmen, denn jede Pfeife ist ausgebaut, gereinigt und poliert worden, ehe sie wieder in die Orgel eingesetzt wurde – die längste der Pfeifen misst 2,40 Meter, die kleinste nur wenige Zentimeter. Tzschöckel: „Da lagert Staub von Jahrzehnten und beeinflusst Stimmung und Klang. Staubige Orgelpfeifen klingen sehr viel dumpfer.“

An einigen Stellen musste auch aus- und nachbessert werden. So etwa beim Blasebalg, über den die Pfeifen die nötige Luft bekommen, damit sie majestätisch oder auch filigran klingen können. In ihm hatten die Fachleute ein nur wenige Zentimeter großes Loch entdeckt; aber immerhin groß genug, dass die Luft an einer Stelle entweichen konnte, wo es nicht gewünscht war. „Das Loch haben wir einfach mit einem Spezialpflaster geschlossen“, erklärte Tzschöckel beim Besuch des Fördervereins sowie Teilen des Presbyteriums mit Pfarrer Andreas Herzog und dem Vorsitzenden Friedrich Schulze zur Wiesch an der Spitze.

Ihnen demonstrierte der Orgelbaumeister auch, wie der Ton buchstäblich und hörbar leidet, wenn die Pfeife verstimmt ist. Mit einem Spezialwerkzeug und wenigen, aber umso mehr geübten Handgriffen brachte Tzschöckel das Rohr, das aus einer Zinn-Blei-Legierung besteht wieder auf Kurs.

Zu der Orgel in Schwefe hat das Team aus der Nähe von Stuttgart übrigens eine ganz besondere Beziehung.  Reinhard Tzschöckel, Vater des Orgelbaumeisters, hat das Instrument vor 33 Jahren gebaut. „Deshalb ist das natürlich schon eine nicht alltägliche Aufgabe“, räumt der Experte ein.

Das barocke Gehäuse der Orgel ist natürlich noch viel älter. Das haben Martin Möller, Vater des berühmten Orgelbauers Johann Patroclus Möller, und Peter Heinrich Vahrenholt im Jahre 1716 fertiggestellt. Die farbige Fassade mit ihren grazilen Darstellungen weiß auch heute noch den aufmerksamen Betrachter zu beeindrucken.

Auch deshalb war es für den 135 Mitglieder starken Förderverein um seinen Vorsitzenden Eric Tankink eine Herzensangelegenheit, die Säuberung des klingenden Schmuckstücks zu finanzieren. „Der Förderverein trägt den wesentlichen Anteil der Kosten  in Höhe von 24.500 Euro“, erklärt dazu Pfarrer Herzog und ergänzt: „Das ist natürlich äußerst lobenswert.“

Wenn man dem Experten Tzschöckel Glauben schenkt, dann ist das Geld bestens investiert: „Die Orgel hat zwar nur 16 Register, bietet aber trotzdem viele Möglichkeiten und ist deshalb ein ganz wunderbares Instrument, an dem die Kirchengemeinde jetzt wieder viele Jahre ihre Freude haben dürfte.“

 

Das Gehäuse der Orgel in Schwefe ist über 300 Jahre alt und gehört zu den ältesten im gesamten Kirchenkreis und damit auch in Westfalen. Fotos: Hans-Albert Limbrock

Simone Gerstle ist eigentlich Schreiner-Gesellin, aber beim Polieren legt sie auch mit Hand an.

Die großen Pfeifen, von denen Tobias Auer auf diesem Foto eine bearbeitet, sind sogenannte Prospektpfeifen, sind stumm und dienen nur der Zierde.

Friedrich Tzschöckel demonstriert, wie eine verstimmte Pfeife klingt.

Presbyterium und Förderverein informierten sich vor Ort über den Stand der Säuberungsarbeiten.

Orgelbauer Jörg Kruse hat nahezu jede der 1007 Pfeifen aus- und wieder eingebaut.

Dicht an dicht finden die 1007 Pfeifen Platz im Gehäuse.

Eine Menge Spezialwerkzeug ist notwendig, um die Königin der Instrumente klanglich wieder auf Kurs zu bringen.