Pfarrkonferenz im Zeichen von Verschwörungstheorien

Erstellt am 01.10.2021

Wie Social Media unser Denken beeinflussen kann – ein Gastbeitrag der Netzaktivistin Katharina Nocun

Katharina Nocun klärte in ihrem Vortrag über die Hintergründe und Gefahren von Verschwörungstheorien auf.

Von Julie Riede

Kirchenkreis. Was bedeuten Verschwörungstheorien für politische Diskurse? Und kann dies im Zusammenhang stehen mit kirchlichen Diskursen? Katharina Nocun ist Publizistin, Politik- und Wirtschaftswissenschaftlerin, ehemalige Netzaktivistin, Bloggerin und Politikerin. Sie war von Mai bis November 2013 politische Geschäftsführerin der Piratenpartei Deutschland und leitete bei Campact unter anderem die Kampagne „Schutz für Edward Snowden in Deutschland“.

Auf Einladung des Kirchenkreises Soest-Arnsberg klärte sie in der Pfarrkonferenz  über ein Thema auf, das seit dem Beginn von Corona die Schlagzeilen mitbestimmt. Verschwörungstheorien. Als Verschwörungstheorie wird der Versuch bezeichnet, ein Ereignis oder eine Entwicklung durch eine Verschwörung zu erklären. Dies geschieht durch das zielgerichtete Wirken einer Gruppe von Akteuren zu einem oftmals gesetzwidrigen oder illegitimen Zweck. Katharina Nocun  sagt: Verschwörungstheorien docken an wichtige Personen und wichtige Ereignisse an. Und: es ist ein Moment des Kontrollverlustes, der Grund sei für das Andocken an Verschwörungstheorien.

Personen, die Informationen zu Verschwörungstheorien streuen, seien oft in einer Szene aktiv und hätten bereits einen Hintergrund im Streuen gewisser Informationen. Eine Pandemie zum Beispiel werde als Update genutzt, um absurde oder alternative Erklärungen zu bündeln und zu streuen. So gibt es schon lange Verschwörungstheorien zum Thema Funkstrahlen. Diese Theorie werde gezielt gekoppelt mit der Information, sie würden Covid-19 verbreiten.

Verschwörungstheorien sind laut Nocun ein Halt für Menschen in unsicheren Zeiten. Das  Bedürfnis nach Einzigartigkeit füttere den Glauben und das Einsetzen für Verschwörungstheorien.  Der Zusammenhalt einer Gruppe  ist eine wichtige Triebfeder, ähnlich wie bei religiösen Gemeinschaften. Verschwörungsmythen sind breites Feld für radikale Menschen oder Gruppen. Sie seien gepaart mit dem fanatischen Glauben, Teil des Widerstands und mehr Demokrat als „der Rest " zu sein. Esoteriker seien besonders anfällig oder Initiatoren für Verschwörungstheorien, so Nocun. Aber: das äußere Erscheinungsbild sage nichts aus, alternativ oder linksradikal aussehende Menschen könnten beispielsweise auch extrem rechts eingestellt sein.

Die Grundproblematik und Gefahr von Verschwörungstheorien laut Nocun: Diskurse würden vergiftet. Menschen würden radikalisiert. Diskussionen seien nicht möglich, weil Feindbilder geschaffen würden. Menschen würden systematisch diffamiert und bedroht, verängstigt oder mundtot gemacht. Doch: wir leben in einer Demokratie, in der der Mehrheitsgedanke zählt. Meinungsfreiheit ist nicht das Recht des Stärkeren.

Superintendent Dr. Manuel Schilling stellte am Ende die Frage: „Könnten Glaubenskrisen der Grund für vermehrte Verschwörungstheorien sein?“ Nocun verneint. Kirche könne leisten, eine Gemeinschaft zu bieten und einen Halt zu geben in Zeiten von Unsicherheit.  Es dürfe kein Podium gegeben werden für radikale Verschwörungstheoretiker. Zum Schutz der Schwachen, vor Menschen, die sich nicht an allgemeine Regeln halten wollen.