Ein Stück Heimat

Erstellt am 20.04.2023

Chor „Radany“ singt beeindruckendes Konzert in der Neheimer Christuskirche

Stimmgewaltig sangen die fünf Männer aus dem Gesangs- und Tanzensemble „Radany“ auf Einladung von Pfarrer Dr. Udo Arnoldi aus der Evangelischen Kirchengemeinde Neheim in der Christuskirche. Foto: Frank Albrecht

Von Frank Albrecht

Neheim. Ihre künstlerischen Wurzeln haben sie in der Regionalen Philharmonie in Luhansk, aktuell sind sie aber in ganz Europa zuhause: Das Gesangs- und Tanzensemble „Radany“ stand jetzt auf der kleinen Bühne in der Neheimer Christuskirche und nahm sein Publikum mit in die Heimat. Unter dem Motto des Nachmittages „Mit der Heimat im Herzen“ präsentierten fünf Sänger einer ansonsten vielköpfigen Gruppe ihre Lieder und Gedanken aus der Heimat – alle von der aktuellen Situation in der Ukraine geprägt.

Pfarrer Dr. Udo Arnoldi begrüßte vor einem gut gefüllten Gotteshaus den Manager des Ensembles, Anton Moralishvili, und die Dolmetscherin des Chores, Olga Dyck. „Das Konzert ist auch als eine Erinnerung an alle Menschen gedacht, die ihre Heimat verlassen mussten“, sagte Pfarrer Dr. Arnoldi. Deshalb sei es umso schöner, dass man die Sänger zu einem Konzert nach Arnsberg habe einladen können. Und schon bei der Vorstellungsrunde am Altar gab es für Olga Dyck einiges aus dem Ukrainischen zu übersetzen. So erfuhren die Besucherinnen und Besucher in der Christuskirche unter anderem, dass es für die Sänger der Gruppe „Radany“ der erste gemeinsame Auftritt nach Kriegsbeginn sei und alle dementsprechend sehr aufgeregt seien.

Mit dem Beginn ihres Auftritts hatte sich die verständliche Aufregung, weitab von zuhause in einer „fremden“ Umgebung singen zu wollen, schnell gelegt. Und schon beim Start des ersten Teils mit kirchlicher Musik überzeugten die fünf stimmgewaltig. Kräftig und bedächtig war ihr Gesang, und vor allem der junge Tenor und der starke Bass aus Italien verfehlten bei ihren Soli nicht die Wirkung auf das gespannt lauschende Publikum.

Eine technische Verstärkung ihrer Stimmen war nicht erforderlich, so überzeugend füllten die Stimmen der Sänger den Kirchenraum aus, der für sie wie geschaffen schien. Spätestens zur kleinen Pause gab es keine Zweifel mehr daran, dass alle Mitglieder des Ensembles als Berufsmusiker gearbeitet haben und es schon bald wieder in ihrem großen, ursprünglich besetzten Ensemble tun wollen.

Nach dem gelungenen Start in Neheim erfüllte auch der zweite Teil alle Erwartungen: Volkslieder aus der Ukraine, Stücke von Liebe und Schmerz sowie bekannte ukrainische Volksweisen erfüllten den Kirchenraum. Ohne die gesungenen Inhalte verstehen zu können, blieb aber der Eindruck zurück, dass alle Lebensfreude und Zuversicht versprühen. Von der ließen sich nach einigen „ernst“ klingenden Stücken auch die Gäste in der Christuskirche hinreißen und klatschten im Takt. Gerade auch die anwesenden ukrainischen Gäste feierten den Chor nach Kräften. Trotz der zeitweisen Ernsthaftigkeit ihrer Lieder kamen auch Spaß und Lebensfreude in den Stimmen und Gesten der Sänger nicht zu kurz.

Für die Anwesenden war es schwer zu entscheiden, ob die langsamen oder schnelleren Stücke die schöneren sind. Schließlich gelang dem Ensemble zu jedem Lied der beeindruckte Wechsel von laut und kräftig zu leise und bedächtig. Lang anhaltender Applaus und eine Spende in die Sammelbox waren der Lohn für die Sänger, und auch Gastgeber Dr. Udo Arnoldi freute sich über die gesammelten mehr als 800 Euro an Spenden, die vom Ensemble für ihre künstlerischen Pläne benötigt werden. So war ihr Auftritt in Neheim auch ein erster Schritt, für Wohnung, Arbeit und Lebensunterhalt der anderen Ensemble-Mitglieder zu sorgen.

„Ziel ist es, alle Musikerinnen und Musiker wieder zusammen zu bringen“, erklärte Dolmetscherin Olga Dyck. Denn schon nach der Besetzung der Krim im Jahr 2014 flohen die Musikerinnen und Musiker des Chores aus ihrer Heimat – ohne ihre Noten und ohne ihre Instrumente. Für etwa acht Jahre wurde dann mit dem Teil des Ensembles weiter gearbeitet, bevor die Entwicklungen in der Ukraine im Februar 2022 den Wiederaufbau der Gruppe wieder stark einschränkten. „Aber die gemeinsame Musik hat die Gruppe doch zusammen gehalten“, erzählt Illia Khanenko, Chorleiter des Ensembles – übersetzt durch Dolmetscherin Olga.

Ihr Ziel haben sie nun weiter vor Augen, auch wenn alle derzeit in Deutschland verteilt in verschiedenen Integrations- und Sprachkursen sitzen. Das ganze Ensemble, so wie es auf einem alten Foto aus guten Zeiten in traditionellen Kostümen zu sehen ist, wollen sie wieder zusammen bringen. Und dazu auch die noch fehlenden Musikinstrumente wieder erwerben: Geige, Gitarre, Akkordeon, Kontrabass und Schlagzeug. Ein Verein zur Integration von Menschen aus der Ukraine will helfen, und durch verschiedene Chorauftritte hoffen alle, diesen Zielen langsam aber sicher näher zu kommen. Das nächste Konzert haben die Sänger von Radany mit ihrem Manager schon geplant.