Christen gedenken der Kriegsopfer

Erstellt am 16.06.2023

Möhnekatastrophe – 28. ökumenisches Nachtgebet in Himmelpforten

 

Von Klaus Bunte

Niederense/Himmelpforten – Es sind circa 30 Personen, die sich gegen 21 Uhr mit drei Fackeln auf den überschaubaren Fußweg von der St.-Anna-Kapelle über das Heiligenhäuschen am Kirchweg zur Ruine des Klosters Himmelpforten macht. In jedem Jahr geht es an diesem Tag darum, mit der kleinen Prozession der Opfer der Möhnekatatrophe zu gedenken. Nach 80 Jahren dürfte keiner von ihnen diesen schrecklichen Tag aus persönlicher Erinnerung kennen. Aber ihr Geschichtsbewusstsein und vielleicht auch die Überlieferungen aus der eigenen Familie oder denen der Nachbarn halten die Erinnerung wach – und das Wissen, dass die Menschheit nichts daraus gelernt hat, wie der Krieg in der Ukraine auch auf europäischem Boden beweist: „Auch in diesen Tagen beschäftigen uns weiter die Fragen um Krieg und Frieden, um die Zukunft und das Miteinander der Menschen und Völker auf der Welt“, zog Pfarrerin Christine Dinter gleich in ihrer Begrüßung in der Kapelle die Parallele zur Gegenwart. 

Wie in jedem Jahr hat ein kleiner Kreis ökumenischer Vorbereitungskreis, bestehend aus Dinter, dem Wickeder Jonas Fehling, Matthias und Angela Holbeck sowie Johanna Dülberg, Gedanken und Themen gesammelt, „um die Erinnerung zu prägen an die Nacht der Bombardierung der Staumauer und um der folgenden Not und Trauer zu gedenken“, wie üblich jedoch unter einem jährlich wechselnden Aspekt – in diesem Fall lautete das Oberthema „Gerechtigkeit“. Inspiriert dazu wurde das Team aus einem Satz aus der tagesaktuellen Losung, einem Satz aus der Bergpredigt nach Matthäus: „Glückselig sind die, die verfolgt werden, weil sie für Gottes Gerechtigkeit eintreten. Denn ihnen gehört das Himmelreich“ – also der feste Glaube des Christentums, zumindest im Jenseits Gerechtigkeit zu erfahren. Deutlich irdischer dagegen ein Zitat Martin Luther Kings, das Dinter nachschiebt: „Auge um Auge hinterlässt nur Blinde. Um Gerechtigkeit zu erreichen, ist Gewalt unbrauchbar.“

Die Denkanstöße umfassen somit nicht nur die Frage nach der fragwürdigen Rechtfertigung eines Krieges oder der Selbstverteidigung der Angegriffenen, sondern auch Aspekte wie Armut, Klimagerechtigkeit und der Ausbeutung der Dritten Welt. Vor diesem Hintergrund verwies Holbeck auf die Welveraner Familie Kirchner, die mit ihrem Verein Human Hope Waisenkinder in Gambia unterstützt als Beweis dafür, was man auch aus der Ferne „Hilfreiches für eine gerechte Teilhabe an Lebenschancen tun kann“, und sei es nur, indem man selber für solche Projekte spendet.

Die vielen Aspekte des Themas „Gerechtigkeit“ fließen auch ein in die Fürbitten, die Angela Holbeck und Johanna Dülberg vortragen, nachdem die Gruppe an der Klosterruine eingetroffen ist, wo auch Bürgermeister Rainer Busemann und seine Möhneseer Amtskollegin Maria Moritz zu ihnen stoßen: Fürbitten für alle Menschen und Gegenden, die von Ausbeutung, Krieg, Klimawandel, Armut und Krankheit betroffen sind und dass die Mächtigen in der Welt sich ihrer Verantwortung stellen.

Matthias Holbeck liest aus den Erinnerungen der damals zwölfjährigen Enserin Leonie Raffenberg (+ 2016), die mit der Frage schließt: „Es ist mir unerklärlich, warum damals niemand mit der Möglichkeit einer solchen Katastrophe gerechnet hat“ – sicherlich nicht das einzig Unerklärliche an allen kriegerischen Auseinandersetzung der Vergangenheit, der Gegenwart und leider wohl auch der Zukunft.