Dem inneren Brennen gefolgt

Erstellt am 05.10.2023

Andreas Herzog verlässt die Niederbörde und wird Polizei-Seelsorger

Vor dem Altar der schmucken Dorfkirche in Borgeln wird der scheidende Pfarrer Andreas Herzog (vorne, Mitte) umrahmt von Pfarrer Karl-Heinz Klapetz (links), Superintendent Dr. Manuel Schilling (rechts) und Pfarrerin Valeria Danckwerth (daneben) sowie (von links) vom Presbyteriumsvorsitzenden der Evangelischen Kirchengemeinde Niederbörde, Friedrich Schulze zur Wiesch, Kirchmeisterin Irmhild Hansen, Presbyterin Hanneliese Reinecke, Wilfried Eickhoff, Vorsitzender des Bezirksausschusses Schwefe, Presbyter Albert Sommerfeld und Presbyterin Elke Holthoff. Foto: Thomas Brüggestraße

Von Thomas Brüggestraße

Borgeln. Polizei-Seelsorge? Steuert man da nicht sehenden Auges auf einen Burn-Out zu - wozu also die Idylle in der Niederbörde eintauschen gegen etwas anderes, wo einen die Menschen mit den gerade erst zur Gemeinde Niederbörde zusammengeführten Kirchtürmen aus Borgeln, Dinker, Schwefe, Welver und Lippborg so dermaßen ins Herz geschlossen haben? Andreas Herzog, Turnschuhe und Jeans unterm Talar, muss schmunzeln an diesem herbstlichen Abend: „Nun, jeder Mensch hat etwas, eine besondere Begabung, ein inneres Brennen“, sagt er nach dem Gottesdienst in der Dorfkirche: „Zuwendung gerade in schwierigen Situation, mit Menschen reden, da sein, auch wenn es schwierig ist, trösten, aufrichten - das ist genau meins. Ich brenne da nicht aus, im Gegenteil. Die Zeit hier war schön. Jetzt Polizei-Seelsorge zu machen, das ist für mich die richtige Entscheidung."

Sie hätten ihn am liebsten gar nicht gehen lassen, das unterstrichen alle, die betont ungern ans Mikro traten in der vollen Kirche: Ein Freund, ein Techniker, ein Musikfreund gehe da. Einer, der so schön predigen könne. Schnörkellos, verständlich und mit griffigen Bildern. Einer, der mit den Menschen reden, sie motivieren könne. Einer, der zwar keine Sitzungen möge, dafür aber die schwierigsten Probleme im Handumdrehen zerlegen, aufs Wesentliche reduzieren und Lösungen aufzeigen könne. Einer, der Ordnung in die Dinge bringe. Struktur.

Einer, der die Jugendarbeit wieder auf gesunde Füße gestellt habe, eine funktionierende Helfergruppe aus jungen Leuten aufgebaut habe, der sogar eine eigene Band gegründet habe – die Gemeinde habe davon profitiert.

Auch von seinem versierten Umgang mit moderner Technik: Dass er während der schwierigen Corona-Jahre vielen Menschen die Einsamkeit und Zukunftsangst genommen habe mit seinen Übertragungen aus einem selbst eingerichteten Kirchturm-Studio, es bleibt ebenso unvergessen wie sein Talent, bei den Menschen Eigenverantwortung zu fördern, Bereitschaft, mit ins Rad zu packen. Dass er der schmucken Dorfkirche in Borgeln vor zwei Jahren ein neues Innenleben für die Orgel besorgte, dafür feiern sie ihren Pfarrer noch immer.

Diese Bereitschaft, mit ins Rad zu packen, um als Kirchengemeinde ein Leuchtturm in der Niederbörde zu bleiben, die werde es künftig noch viel mehr brauchen, das unterstrich Superintendent Dr. Manuel Schilling in seinen Worten an den scheidenden Pfarrer, an die Menschen mit und ohne Funktion in der Gemeinde: Die Zeiten seien nicht die allerbesten, die Kirchenbänke außer bei Gottesdiensten wie diesem oft leer, schmerzliche Entscheidungen stünden immer wieder an bis hin zur Aufgabe und Entwidmung von geliebten Kirchen. Bevor allerdings weitgehend Laienprediger vor der Gemeinde stehen, weil Pfarrer-Nachwuchs fehle, werde es eine (vorübergehende) Lösung für die Niederbörde geben: Anne Kathrin Kemper solle als Pfarrerin in die Niederbörde kommen, hieß es vom Presbyterium.

Andreas Herzog predigte über die Sturmfahrt der Jünger, über ihre Verzweiflung auf einem Schiff in tobender See. Über Vertrauen, als ihnen da jemand über den See entgegen schreitet. „Hält denn das Wasser für den Menschen?“ Andreas Herzog lächelt: „Einfach aussteigen und ausprobieren.“

Ein schnelles Foto noch, dann ging es für alle ab zum Empfang ins Gemeindehaus. Vor wenigen Tagen war für Andreas Herzog nach sechs Jahren in der Niederbörde Dienstantritt in Duisburg als neuer Landespfarrer für die Polizei-Seelsorge der Evangelischen Landeskirche Rheinland und Dozent an der Polizeihochschule in Duisburg.