Die Trauer bleibt nicht vor der Tür

Erstellt am 20.10.2023

Christliches Hospiz lädt am Welthospiztag zum Blick hinter die Kulissen ein

Von links Silke Biermann-Heeß, Koordinatorin beim ambulanten Hospizdienst, Bärbel Kalkstein, sozialer Dienst des Christlichen Hospizes Soest, Simone Stachel, Verwaltung, Jutta Schmidt, Ehrenamtliche im Hospiz, Gudrun Baie, Ehrenamtliche im Hospiz, Ulrike vom Bruch, Ehrenamtliche beim ambulanten Hospizdienst, Claudia Sträter, Koordinatorin Kinder- und Jugend-Hospiz Soest, Jutta Jeretzky, Koordinatorin ambulanter Hospizdienst Soest, Michaela Schulte, Koordinatorin Kinder- und Jugend-Hospiz-Dienst, Angelika Köster, Einrichtungsleiterin des Christlichen Hospizes Soest. Vorne sitzen die Clowns Elfie und Anton (Leela und Suvan Schlund). Foto: Thomas Brüggestraße

Von Thomas Brüggestraße

Soest . Angeregte Gespräche zu vielen im Sterbehaus, gelöste Atmosphäre statt greifbarer Traurigkeit? „Das passt doch ganz gut zu unserem Haus, zu unserer Arbeit", sagt Einrichtungsleiterin Angelika Köster. „Wir netzwerken", schlägt Suvan Schlund als Vokabel vor: „Klingt professioneller." Suvan Schlund ist wieder in die Rolle als Clown Anton geschlüpft, Ehefrau Leela hat auch die rote Pappnase auf, ist „Elfie" – sie sind an diesem Tag mal hier und da und überall, machen gute Laune, lockern auf.

Zum Welt-Hospiz-Tag hat auch das stationäre Christliche Hospiz am Regenhertzweg in Soest die Türen geöffnet: Alle waren willkommen und eingeladen, die eigene Scheu zu überwinden, sich informieren zu lassen, wer „Gast" werden kann im Haus, wie viel Platz und Freiraum man hat, wie das Leben gestaltet werden kann, wenn es sich deutlich dem Ende neigt, wer einen umsorgt.

Dass Menschen einen Moment brauchen, wenn sie ein Hospiz betreten, dass sie staunen, dass hier eben nicht alles grau in grau ist, dass erlebe sie immer wieder, erzählt Angelika Köster aus Ihrem Alltag: „Die Trauer bleibt natürlich nicht vor der Tür. Wir begleiten unsere Gäste, wir begleiten die Angehörigen - die dürfen auch hier übernachten, und an manchen Wochenenden ist es ganz schön voll am Frühstückstisch. Das ist auch gut so, denn erst einmal wird noch gelebt hier..."

26 Fachkräfte kümmern sich um bis zu zehn Gäste: Es gibt im Haus die Pflegefachkräfte, den sozialen Dienst, die Verwaltung und zwei Seelsorger: der Evangelische Pfarrer Konrad Schrieder und der Katholische Pfarrer Uwe van Raay sind für die Gäste im Haus und auch für Gespräche mit Angehörigen da. Zehn Gäste sind es immer, die zeitgleich im stationären Hospiz leben dürfen. Es gibt zehn Zimmer, die ein Zuhause auf Zeit werden, es gibt Platz für Angehörige, die ebenfalls im Haus wohnen dürfen.

„Es gibt eine Notwendigkeitsbescheinigung vom Arzt, wir regeln den Rest mit allen Kassen, Gäste und Angehörige müssen sich hier ums Bezahlen keine Sorgen machen", umreißt Köster grob das System: Seit fünf Jahren gebe es das Sterbehaus in Nachbarschaft zum Perthes-Wohn- und Pflegeheim jetzt, etwa 500 Gäste seien bislang im Hospiz begleitet und umsorgt worden - ein paar Gäste seien sogar wieder fit geworden.

 Ob man abschalten könne? „Ja, man kann es lernen", sagt Köster. Die Diplom-Pädagogin und Palliativ-Fachkraft erzählt auch davon, wie sich in diesem Beruf der Blick aufs Leben ändere: „Die Prioritäten sind dann ganz andere..." Was es brauche, im Hospiz zu arbeiten? Köster: „Viel Erfahrung, man muss mit Leuten umgehen können." Ein Ausbildungsberuf sei Pflege im Hospiz nicht, aber ein Teil der generalistischen Pflegeausbildung in der Kranken- und Altenpflege.

 

Michaela Schulte vom ambulanten Kinder- und Jugend-Hospizdienst erzählt von ihrer Arbeit - davon, dass zum Glück nur wenige Kinder im Jahr sterben, so ein bis zwei Kinder im Jahr, seit 2015, so lange gebe es den ambulanten Dienst. Schulte erzählt auch vom grundsätzlichen Unterschied in der Arbeit: „Das stationäre Hospiz begleitet einen kleinen Teil des Weges - wir beim Kinder- und Jugend-Hospizdienst begleiten über Jahre, auch in der Trauer, die dann bleibt. Die Gesellschaft tickt ja so, dass man nach einer gewissen Zeit sagt: 'Nun ist es gut.' – Mütter, Väter, Eltern sagen: 'Gar nichts ist gut. Nichts ist jemals wieder gut: Mein Kind ist tot, unser Kind ist tot - was ist gut?' Wir begleiten da weiter, geben Halt und Unterstützung. Wir lachen und wir weinen zusammen – und zu allererst begleiten wir Kinder und Familien beim Leben."

 Ob sie abschalten könne? „Nein", sagt Michaela Schulte sofort: „Das ist kein Job, den man abends so hinhängen kann. Ich bin selber Mutter." Schulte beschreibt auch völlig andere Erfahrungen, als sie die Pflegekräfte im stationären Hospiz haben: „Belastend für uns beim Kinder- und Jugendhospiz ist, dass wir den Eltern beim Ausbrennen zuschauen müssen. Eltern, deren Kinder sterben werden, weil irgendeine Krankheit an ihnen frisst, die müssen viel erkämpfen an Leistungen, an Hilfen, an Förderungen - vieles, was einfach nicht zur Normalität gehört, vieles, was auch für die Menschen, die Hilfen und Gelder genehmigen sollen, nicht normal ist, wo sie einfach erst einmal nicht helfen können, weil keine Hilfe vorgesehen, nichts festgelegt ist. Manchmal helfen Stiftungen - manchmal kann niemand helfen – es geht um Kinder, die sterben werden und das macht es wirklich unendlich belastend."

Und es seien die Familien, die belastet seien. Sie habe da ganz frisch das Beispiel einer Mutter im Hinterkopf: Alleine, das Kind krank und behindert, die Arbeit wachse über den Kopf, die Frau brauche schlichtweg Hilfe. Nicht, dass man ihr sage, sie solle dieses und jenes so oder so machen - diese Tipps brauche sie nicht. Sie brauche Menschen, die einfach da seien und fragen: "Wie möchtest Du, dass ich dieses und jenes tue?" - und die dann einfach mit anpackten für eine gewisse Zeit. Zur Entlastung. Schulte: "Aber wo bitte soll man diese Ehrenamtlichen finden?"

Angelika Köster und Michaela Schulte unterstreichen beide: „Sterben ist mit Angst besetzt, mit Scheu. Wir dürfen die Fragen drum herum nicht zum Tabu machen - wir müssen reden, und genau dafür dient dieser Welt-Hospiz-Tag."

INFOBOX

Kontakte und Informationen zu weiteren Diensten vor Ort:

Ambulanter Kinder- und Jugendhospizdienst, Telefon Soest 6725885, akhd-soest.de.

Ambulanter Hospizdienst Soest e.V., Telefon Soest 3913320, hospizverein-soest.de

Christliches Hospiz Soest gGmbH, Telefon Soest 6607460, hospiz-soest.de

Palliativnetz der Kreise Soest und Hochsauerland GbR, Telefon Soest, 9435600.