Wichtige Weichen stellen

Erstellt am 01.02.2024

Klimafachtagung bot mutige und konstruktive Lösungsansätze für klimaneutrales Bauen und Sanieren

Dr. Franz-Josef Klausdeinken startete mit einem Impulsvortrag zum Thema „Kann Kirche Klima“, in dem er Einblicke in gelungene Projekte gab, aber auch mahnende Worte zur Schöpfungsverantwortung fand.

Von Julie Riede

Soest. Die knapp 30 Teilnehmenden der Klimafachtagung im Siegmund-Schultze-Haus waren mit unterschiedlichen Erwartungen aus allen Ecken des Kirchenkreises Soest-Arnsberg angereist. Für die Fachtagung konnten verschiedene Referentinnen und Referenten in Vorträgen und Workshops interessante Einblicke in ein brisantes Thema geben. Die Evangelische Kirche Deutschlands hat sich und ihren Landeskirchen Klimaneutralität bis 2030 auf die Fahnen geschrieben. Hierzu wurde im Kirchenkreis Soest-Arnsberg Klimamanager Markus Kaulbars eingestellt.

Kaulbars kennt sich aus mit den Sorgen und Nöten rund um das Aufgabenfeld. Mit seinen Mitstreitern aus dem Arbeitskreis Kirche und Klima Soest und Gleichgesinnten, wie der Bewegung Christians and Churches for Future Soest, einem ökumenisch-nachhaltigen Netzwerk, möchte Kaulbars aufklären, schulen und unterstützen.

Dr. Franz-Josef Klausdeinken machte den Anfang und gab in seinem Vortrag wichtige Impulse zum Umdenken. Mit positiven Beispielen zeigte er auf, was in einzelnen Projekten bereits möglich sei und umgesetzt werden konnte. Auch im Evangelischen Kirchenkreis Soest-Arnsberg. So bezögen aktuell von 178 Gebäuden im Bestand des Kirchenkreises alle Ökostrom nach dem sogenannten „Grünstrom Label“ und das zu einem Preis, der den Vergleich zur Konkurrenz auf dem Markt nicht scheuen müsse, so Klausdeinken.

Er appellierte daran, wie wichtig es sei, rauszutreten aus der eigenen Komfortzone – gemeinschaftlich Flagge zu zeigen und Botschaften positiv zu benennen. Er riet den Teilnehmenden aus den Gemeinden, im Presbyterium direkte Ansprechpartner für den Bereich Klima zu suchen, die dieses Thema betreuten und Ideen dafür entwickeln.

Klimaneutrale Gebäudenutzung

Einblick in die vielfältige Thematik von Nutzungskonzepten kirchlicher Gebäude gab im Anschluss Brunhilde Meier, Architektin und Fachreferentin für Gebäudestrategien der Evangelischen Kirche von Westfalen (EKvW). Mit kreativen Beispielen wurde deutlich, dass die Zahlen der schwindenden Ressourcen an Geld und Personal kein Grund seien, zu verzweifeln. Klimaneutralität, das ginge sehr gut: jeder Weg sei aber individuell, so Meier.

Mit Beispielen aus der jüngeren Vergangenheit  zeigte die Referentin klar auf, dass der Wegfall von Gebäuden auch eine Chance sei und dass es viele Möglichkeiten zur alternativen Kirchennutzung bereits gebe. „Weder die Vogel-Strauß-Taktik, noch der Bau von Luftschlössern sind die richtige Lösung“, so Meier. Gebäude machten einen Großteil der Kosten aus, neben Personalstellen.  Die richtigen Konzepte seien hier der Weg in die Zukunft. Jeder Abschied sei bitter, berge aber eine Chance für Weiterentwicklung oder Neubeginn.

Nach einer Mittagspause konnten sich die Teilnehmer zu verschiedenen Themenpunkten in Workshops informieren. Hier wurde unter anderem ein Projekt aus Meschede vorgestellt, in dem eine entwidmete Kirche zu einem Ferienhaus umgewandelt wurde. Mit viel Freude, Mut, Fleiß und originellen Ideen hat ein Architektenehepaar diese Herausforderung angenommen.

„Die Gemeinde trauerte um ihre Johanneskirche, doch die Evangelische Kirche konnte sie nicht halten. Es war ein sehr emotionaler Prozess. Keiner wusste, was mit der Kirche geschieht“, berichtete Architektin Sandra Glados. Doch es habe den Menschen geholfen, dass das Projekt durch Menschen aus der Nachbarschaft übernommen wurde, die Türen während des Baus offen standen, und auch nach Abschluss der Bauphase die ehemalige Kirche ein Haus des Willkommens bleiben wird.

„Wir haben den Raum so gelassen wie er ist, wir haben keine Wände eingezogen und auch keine zweite Ebene, wie es im Vorfeld andere Kaufinteressenten überlegt haben “, erklärt Raimund Köster. Er und seine Frau wollten die Atmosphäre des unter Denkmalschutz stehenden Gotteshauses erhalten. Der Umbau verlaufe so gut wie möglich in Eigenarbeit. Auf 270 Quadratmetern sei die richtige Dämmung das A und O. Eine Kirche zu einem Wohnraum umzugestalten, mit einer derart hohen Decke und den alten Kirchenfenstern, und das bestmöglich energieeffizient, sei eine Herausforderung gewesen, so Köster, doch mit der richtigen (Schall-)Dämmung und spezialangefertigten Fenstern, die vor die Kirchenfenster gesetzt wurden, konnte man Problemen wie Feuchtigkeitsproblemen gezielt entgegen wirken.

Und auch heiztechnisch sei das Ehepaar einen sicheren Weg gegangen. Geheizt wird mit einer Gasbrennwerttherme-Luftwämepumpe Mischung. Solarplatten sorgten für Strom. Zweidrittel der Fläche wurden mit Estrich versehen, um eine Fußbodenheizung verlegen zu können. Und ein Kamin zur Not und zum Wohlgefühl sei auch noch drin. Ein „Haus-im-Haus“ wurde mit dem Schlafzimmerbereich geschaffen, Barrierefreiheit durch Rampen erreicht, die ehemalige Sakristei wurde zum Badezimmer – in diesem Projekt wurde den Workshopteilnehmer:Innen deutlich gemacht, wie wichtig eine gute Planung sei, aber auch, Probleme von allen Seiten zu bedenken; Lösungen könne man für jedes Problem finden, und dies eben auch klimafreundlich bzw. energieeffizient. Fazit: Der Umbau einer Kirche in einen Wohnraum ist generell eine enorme Herausforderung.  Vieles müsse ganz individuell und zum Teil neu gedacht werden. Es lohne sich aber.

Winterkirche und Wohlgefühl

Im Workshop zum Thema Winterkirche fanden sich Anknüpfungspunkte zur Problematik des klimafreundlichen Heizens großer Räume, dem gezielten Entgegenwirken von Feuchtigkeit oder gar Schimmelbildung. Gerade die Orgel sei anfällig.  Die beständige Messung der Luftfeuchtigkeit sei entscheidend, mit der richtigen (Be-)Lüftung und dem Entgegenwirken großer Temperaturschwankungen arbeite man diesen Problemen entgegen. So könnten Schwankungen der Feuchtigkeit und Temperatur mittlerweile sehr genau durch sogenannte „Datenlogger“ gemessen und erfasst werden. Damit gingen Daten zu Temperatur und Feuchtigkeit des Raumes in ein Netzwerk,  wo sie in einer App gesammelt würden und einzeln ausgelesen werden könnten.

Eine gewisse Grundtemperatur sei in Kirchen dauerhaft notwendig. Sei es zum Erhalt der Räumlichkeiten als auch zum Erhalt des lebendigen Gottesdienstes.

Um trotz kühlerer Temperaturen eine Wohlfühlatmosphäre in Kirchenräumen zu schaffen, hat die Firma P.R. Havener GmbH bereits vor Jahren ein energieeffiziente Lösung auf den Markt gebracht. Die Firma bietet beheizte Sitzpolster für Kirchen an. Diese werden in Italien aus Garn hergestellt, das wiederum aus alten Fischernetzen recycelt wird. Heizkosten von nur ein paar hundert Euro im Jahr sprächen für sich, so Firmeninhaber Ronny Havener. Die Fragen, die sich sowohl Evangelische als auch Katholische Kirchen nun mal stellen müssten, seien einfach: 20.000 Euro für Öl pro Jahr oder die zukunftsfähige Investition in moderne, energieeffiziente Technik?

Was mache Sinn und sei langfristig klimafreundlich sowie mit dem Klima-Vorhaben der EKD kompatibel? Die Primärheizung laufe immer, aber gedrosselt. Die Sitzheizung könne die fehlenden 3 Grad fürs Wohlbefinden ausgleichen, sodass die Primärheizung beispielsweise bei 16 Grad laufen und der Gottesdienstbesucher sich immer noch wohlfühlen könne. Auf der Webseite des Unternehmens www.kirchenbankpolster.de finden Gemeinden alle Informationen zum Angebot und auch einen Energierechner für den eigenen Bedarf.

Das Thema Winterkirche böte viel Potenzial für Leuchtturmprojekte, so benannte es Dr. Franz-Josef Klausdeinken. Gerade in der Entwicklung neuer Gebäude steckten große Chancen, das Thema Klimafreundlichkeit, Klimaneutralität, neu zu denken, um die neusten Standards berücksichtigen zu können. Es gäbe bereits viele positive Beispiele, auch im Kirchenkreis, durch moderne Sanierungen von Gemeindehäusern, Kirchen und auch Kitas. 

In einem Modellprojekt habe man zum Beispiel ein Plus Energie-Haus in Soest entwickelt, das sich auf ein Neubaugebiet mit 600 Wohneinheiten auswirke. „Mindesstandard KfW-Eff-55“, so Klausdeinken. Das Projekt könnten sich Interessierte auf www.peh-soest.de anschauen. Es sei ein Referenzobjekt das zeige: „Kleines Haus, große Wirkung“. 400 Euro Heizkosten inklusive des Grundbeitrags im Jahr sprächen für sich.

Die Fachtagung war ein voller Erfolg, so der Tenor am Ende der Veranstaltung. Der Austausch und die neuen Impulse seien hilfreich bei der Lösung der aktuellen Energie- und Klimakrise, der man sich nun mal stellen müsse.  

 

Bei verschiedenen Vorträgen und Workshops erhielten die Teilnehmenden spannende Einblicke und Inspirationen für die eigenen Klimaschutzvorhaben, hier durften die die beheizten Sitzpolster der Firma P.R. Havener GmbH getestet werden.

In Meschede haben Sandra Glados und Raimund Köster ihren Traum von einem Ferienhaus in der früheren Johanneskirche realisiert. Foto: Hans-Albert Limbrock