Kritischer Geist abseits vom Zeitgeist

Erstellt am 01.02.2024

Begnadeter Künstler und Handwerker: Michael Winkelmann hat Erinnerungen in ein Buch gepackt

Silberschmied Christof Winkelmann zeigt als aktuelle Arbeit eine filigran gearbeitete Figur für den Soester Silberschatz. Beide Künstler wünschen sich, dass die Soester ihre wertvollen Schätze öfter zeigen, anstatt sie wegzuschließen.

Von Thomas Brüggestraße

Brüningsen. Es ist ein Weg durch die Zeit auf 148 Seiten, eine mit vielen Bildern geschmückte Reise vom idyllisch gelegenen Fachwerkhaus in Hattingen-Obereffringhausen nach Günne in ein ebenso idyllisch gelegenes Fachwerkhaus, in das angrenzende gemeinsame Atelier und die gemeinsame Werkstatt. Von dort kreuz und quer durch Europa. Auch mal auf einem Heinkel Motorroller – willkommen in den Sechzigern. Für einen der Brüder führte der Weg später sogar bis tief hinein nach Afghanistan zu monumentalen Kulturschätzen, die inzwischen die Taliban in die Luft gesprengt haben, weil sie solche Schönheit für Gotteslästerung halten. Es geht hinauf auf die Kirchtürme in der Region, die heute so völlig anders gebaut werden als früher, es geht hinein in Kirchen, in Museen. Der Weg führt von der Nazi-Diktatur über Wiederaufbau und Wirtschaftswunderzeit ins Hier und Jetzt. Es ist eine spannende Erzählung, eine Bestandsaufnahme, und es ist auch eine kritische Auseinandersetzung mit dem, was sich „Zeitgeist“ nennt.

„Ich bin jetzt 87“, sagt Michael Winkelmann. „Ich wollte die Menschen an die Hand nehmen, aus meinem Leben erzählen, aus unserem Leben erzählen, gegen ein Vergessen anschreiben, damit man vergleichen kann, was Handwerk und Kunst früher waren, wie Kunst und Kunsthandwerk heute ist. Wie viele gute Namen die Menschen einfach nicht mehr kennen. Da hat sich viel geändert an Sichtweisen, am Tun, auch an der Wertschätzung. Das musste einmal aufgeschrieben werden.“

Michael Winkelmann beginnt sein Buch in den 1930er Jahren in der märkischen Hügellandschaft bei Hattingen. „Geliebte Lieder der Kindheit“ hat er im Bild mit Text und Noten beigefügt. Er beleuchtet die Arbeit des Vaters Wilhelm, der Bildhauer und Metallgestalter war, er erzählt von Schule, Studium und Reisen. Vom Werdegang beider Brüder. Vom gemeinsamen Schaffen. Davon, dass das Leben der Weg ist. Von zwei bildenden Künstlern, die die Landschaft am Haarstrang und Möhnesee lieben. Von heimischen Künstlern damals und heute, die sie schätzen. Von Max Schulze-Sölde etwa, Fritz und Eberhard Viegener, Hermann Kätelhön, von Robert Ittermann und Hermann Prüssmann. Von Karl-Richard Jauns, von Dr. Horst Rellecke und Sigrid Wobst. Von Gero Troike und Monika Buggisch-Leu. Von der Liebe zum Wald und zum See, zur nahe gelegenen Stadt Soest. Alles „damals wie heute ein Symbol der Freiheit in sich“. Michael Winkelmann beleuchtet die Geschichte und Schönheit von Möhnetal und Kloster Himmelpforten, den Verlust von 700 Jahren Kulturgeschichte in diesem Raum durch Weltkrieg und Möhnekatastrophe.

Dem Schützensilber hat Winkelmann ein Kapitel gewidmet, dem aufwändig gestalteten Schmuck an den Königsketten vieler Vereine und Bruderschaften: „Heimatliche Kleinodien aus der Vergangenheit und Gegenwart“.  Weiter führt die Reise auf die Kirchtürme. Kaum eine evangelische Kirche in der Region, auf der die Brüder Michael und Christof Winkelmann nicht gearbeitet haben. Michael Winkelmann nimmt die Leser unter anderem auch mit auf Sankt Laurentius in Erwitte und Sankt Patrokli in Soest und nimmt die Türme, ihren Schmuck aus Kreuzen und Kugeln, ihre Hähne und Engel in den Blick. Die eigenen Arbeiten. Die von vielen unbemerkte neue Baukultur: Warum wölben sich Turmhelme nicht mehr sanft?

Sakrale Kostbarkeiten werden vorgestellt, der Altar in der Geschichte und im Wandel der Zeit wird ebenfalls beleuchtet. Michael Winkelmann regt in diesem Kontext an, die Soester mögen doch bitte ihre Schatzkunst, ihre wertvollen Kunstwerke aus dem 13. bis 17. Jahrhundert wenigstens alle drei bis fünf Jahre in einer Ausstellung zeigen, anstatt sie wegzuschließen – „wie sie es seit nunmehr zwölf Jahren tun". 

Wie entstehen aufwändige Emaillearbeiten? Wie faltet und treibt man Silber, wie wird alles zusammengesetzt, so dass es wirkt wie aus einem Guss? Mit einem Blick auf ein Kunsthandwerk, das neben Winkelmann nicht mehr viele beherrschen mögen, endet das Buch, auch mit einem Bedauern, dass sich nicht mehr viele Menschen Aufwand beim Treiben eines Gefäßes oder einer Skulptur machen wollen. 

 

Bildhauer Michael Winkelmann zeigt sein neues Buch, sein Bruder Christof Winkelmann eine aktuelle Arbeit: Eine Bronze-Hohlguss-Figur eines der Apostel für die Basilika in Werl.

„Ein Weg durch die Zeit, Beiträge zur Heimatkultur“ lautet der Titel des Buches von Michael Winkelmann. Biografisches aus Kindheit und Jugend von 1937 bis 1958, Erinnerungen, Begegnungen, Bilder. Gedanken um das gestaltende Handwerk. Es geht um Bildhauerei, um Goldschmiedkunst, um filigranes Arbeiten mit Silber. Ums Zeichnen und Malen. Um eine eigene Handschrift in allen Arbeiten. Erschienen ist das Werk in kleiner Auflage und mit Förderung durch das Land NRW. Es ist für 16 Euro ab sofort zu erwerben über das Atelier Christof und Michael Winkelmann.

Kontakt: info@winkelmann-moehnesee.de, Telefon 02924-7652, Wollmeine 8-10, Möhnesee-Günne (Brüningsen).