13820 Tage im Dienste von St. Petri

Erstellt am 05.01.2024

Bildzeile: "Es ist ja noch Weihnachten bis Mariä Lichtmess", sagen Petri-Küster Friedhelm Overbeck (links) und sein Nachfolger Boris Fischer, warum sie gerne vor der Krippe abgelichtet werden möchten. Foto: Thomas Brüggestraße

 

Von Thomas Brüggestraße

Soest. Seinen Küsterdienst für Sankt Petri hat er Jahrzehnte lang gern versehen, aber er habe auch immer wieder am Verstand einiger Mitmenschen gezweifelt, sagt Friedhelm Overbeck bei der Vorstellung seines Nachfolgers Boris Fischer.

Was Overbeck so wütend macht?  "Nachteulen und Feiermeier entleeren sich hemmungslos und aus allen Körperöffnungen auf dem Kopfsteinpflaster zwischen Kneipe und Kirche, hinterlassen fest und flüssig braune, gelbe und übel grüne Spuren. Mit und ohne Einlage. Alle Geschlechter. Männer urinieren ungeniert an die Glastür des Petrushauses, ob da nun jemand zuschaut oder nicht. Frauen hocken zwischen Kirche und Gemeindehaus auf dem Pflaster und lassen laufen. Man glaubt es nicht, was man so alles zu sehen bekommt", schüttelt Overbeck den Kopf: "Am schlimmsten ist es während der Kirmestage - abhängig davon, welche Karussells hier stehen.

Die Schausteller, die sind ja immer bemüht und kooperativ, passen auch mit auf, aber gegen Publikum ohne jede Hemmschwelle kommt man schwer an.

Diese regelmäßigen Erlebnisse, die haben mich immer wieder so richtig geärgert. Man muss es einfach mal sagen."

 

Fast 40 Jahre lang war Friedhelm Overbeck der Kümmerer für alles, Garant dafür, dass Gottesdienste pünktlich und ungestört beginnen konnten. Mal eben Türen auf- und zusperren, aufs Knöpfchen drücken, damit die Glocken klingen, den Klingelbeutel herumreichen - war es das? "Natürlich nicht", schmunzelt Overbeck: "Küster sein, das ist ein Rundum-Job, sechs Tage die Woche - nur montags ist frei. Viel ist zu tun: Die Kirche muss sauber und hergerichtet sein, Beleuchtung, Glocken, Lautsprecher, das muss alles passen, die Stühle und Tische im Petrushaus müssen gerückt werden für Seminare, Tagungen, Versammlungen, besondere Anlässe. Ab und an stehen Vertretungen auf dem Plan für weitere Gemeindehäuser. Ostern, Pfingsten, Weihnachten und bei den Konfirmationen gibt es jede Menge Dinge zu richten und zu organisieren. Um die Menschen muss man sich kümmern, und damit habe ich noch nicht alles erzählt. Büro kommt ja auch noch mit dazu. Langweilig war es nie, wird es auch in Zukunft nicht werden, und eins ist sicher: Kein Tag ist wie der andere." Hobbies für den Ruhestand? Overbeck schmunzelt wieder: "Da hatte ich keine Zeit für."

 

Neuer Küster ist jetzt Boris Fischer (49). Bislang war er in Vertrieb und Logistik tätig. Ein Knochenjob. Stressig, Nerven zehrend. Viele Soester kennen ihn als Musiker im Spielmannszug, als Stabführer und Dirigent, auch als Schützenkönig, das war er mehrmals. Er war Schützenkommandeur der "Großen Westhofe" und ist aktuell amtierender Kommandeur der Vereinigten Schützen zu Soest. Bald sei wieder Versammlung, dann sollen Jüngere übernehmen, sagt er. Viele schätzen Boris Fischer als zuverlässigen Freund und Anpacker. "Organisieren, das ist genau mein Ding", sagt er: "Ich bin jetzt seit Oktober dem lieben Friedhelm nicht von der Seite gewichen – da kommt einiges auf mich zu an Aufgaben, aber ich freue mich drauf. Und mit Menschen habe ich gerne zu tun. Ich mag den Job." Von zu Hause aus könne er jetzt immer seine neue Wirkungsstätte sehen, es seien nur ein paar Minuten Fußweg bis dorthin.

"Wo hat man das sonst", fragt Fischer: "Und dann in einer so schönen Stadt?" Er strahlt: "Ich find's prima." Friedhelm Overbeck freut sich still. Ob ihm das leichtfallen werde, das Loslassen nach fast 40 Jahren, das Vertrauen darauf, dass ein Neuer hoffentlich alles richtig mache? Er schaut, er schaut herüber zu Fischer, der gerade einen Schaltkasten erläutern möchte, er nickt: "Doch. Ja..."

 

Im Gemeindebrief von Petri-Pauli, da haben sie Friedhelm Overbeck schon einmal ein kleines Denkmal gesetzt: 13820 Tage lang sei er eine verlässliche Stütze gewesen für das Gemeindeleben, so steht es da. Und dass der Küsterstuhl in der Turmhalle sein Lieblingsplatz gewesen sei:

"Von da aus hat man den besten Blick", weiß Friedhelm Overbeck. "Wir werden Dich vermissen, lieber Friedhelm!" So steht es im Gemeindebrief. So einen Dank bekommt nicht jeder schriftlich.

Am Sonntag dieser Woche, 7. Januar, wird er offiziell verabschiedet im Gottesdienst um 10 Uhr. "Er war da, mit Herz und Hand und mit Verstand", so schreibt es Pfarrer Christian Casdorff in der Einladung zum Gottesdienst.